Die Tuerme des Februar - Phantastischer Roman
einem solchen Turm unterbringen, der tausend oder sogar noch mehr Zimmer besitzt? Ich stand in der zugigen Halle und konnte immer noch nicht so richtig glauben, dass dies der Zugang zu lauter aufeinander gestapelten Häusern sein sollte. Und zwischendurch überlegte ich, wie ich diesem Wim entwischen könnte. Er war ja meinetwegen hier! Wusste er wohl etwas von Herrn Avla im zweiten Turm?
»Ein Gebäude von solchen Ausmaßen wie dieses hier«, erklärte der Turmwächter langatmig, »muss natürlich einen Sinn und Zweck gehabt haben; darüber gibt es die verschiedensten Theorien. Wir wissen allerdings nicht, wer es gebaut hat und zu welchem Zeitpunkt. Es steht, genau wie der andere Turm, seit ungefähr acht Jahren hier, wie Ihnen vermutlich bekannt ist. Das heißt, in Kürze werden es auf den Tag genau acht Jahre sein.«
Stimmt!, dachte ich und bemerkte mit einem Schock, dass beide Wächter mich plötzlich anschauten. Mit viel sagenden Blicken. Irgendwie vorwurfsvoll. Ich war es aber doch gar nicht, der die Türme hierher verpflanzt hat, dachte ich, sondern Herr Avla … Alva. Ich muss unbedingt zu ihm in den zweiten Turm, und zwar ohne dass es jemand merkt.
Der Turmwächter zeigte den Leuten die Zelle hinter der Tür mit dem Guckloch. Nur Wim schaute nicht hin; er passte noch immer auf mich auf, so dass ich nicht verschwinden konnte.
Also blieb mir nichts anderes übrig, als mit hinaufzugehen, die Treppe empor. Der Dünenwächter ging neben mir her; er hatte sein drolliges Hütchen abgenommen und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Weshalb siehst du dir die Zelle nicht an?«, fragte er.
»Und warum haben Sie sie nicht angeschaut?«, sagte ich.
»Ich bin hier früher schon einmal gewesen.«
»Ich auch.«
Er blieb auf dem ersten Absatz stehen. »Und hast du jetzt vor, wieder all die Treppen hinaufzusteigen?«
»Ja, natürlich«, sagte ich, ohne nachzudenken, »es bleibt ja nichts anderes übrig, weil der Aufzug es nicht tut.«
»Der was? «
Wir starrten einander an.
»Der Aufzug«, sagte ich langsam. Mir stockte der Atem.
»Aufzug«, wiederholte er, als sei dies ein neues Wort, das – Ich habe mich wieder an etwas erinnert. 33) Also keine Gefängniszelle mehr, sondern einfach ein Mechanismus, um sich auf und nieder zu bewegen. Man drückt auf einen Knopf und … Aber momentan war der gesamte Turm ein Gefängnis und Wim mein Aufseher.
33) Oder habe ich das Wort »Aufzug« aus meinem anderen Tagebuch? (Anmerkung des Verfassers)
Jetzt kamen die anderen die Treppe hinauf. Ich mischte mich, so gut es ging, unter die Leute und bemühte mich, Wim nicht zu nahe zu kommen. Ich war so sehr damit beschäftigt, dass ich fast nichts von alledem hörte, was der Turmwächter sagte, bis wir auf die sechste Galerie kamen.
»Von hier aus können Sie das Meer sehen«, sagte er. »Je höher Sie kommen, desto schöner wird die Aussicht. Und hinter jeder Tür befinden sich die gleichen Räume. Leer und unbenutzt.«
Er öffnete eine der Türen; wir gingen hinein … in ein Haus? Einen Augenblick lang war ich mit dem Turmwächter allein. »Ich muss hier unauffällig verschwinden«, flüsterte ich. »Könnten Sie nicht Wim, den Dünenwächter, in ein Gespräch verwickeln?«
»Ich will es versuchen«, flüsterte er. »Du musst aber sehr geschickt vorgehen. Er bleibt ja ständig in der Nähe des Treppenhauses.«
So war es; Wim vermied es, mehr als ein paar Schritte über die Galerien zu gehen.
»Ich klettere über die Feuerleiter nach unten«, flüsterte ich. »Das hat er vielleicht nicht einkalkuliert.«
Immer weitere Treppen, auf den Galerien hin und her, in leere, verstaubte Räume hinein und wieder heraus … Erst auf der elften Etage ergab sich die Gelegenheit. Doch dann gähnte da der entsetzliche Abgrund unter der ungeschützten Feuerleiter, die in Spiralen hinabführte.
Mir war todschlecht, als ich den Abstieg begann. Das dünne Material würde mich bestimmt nicht halten, es würde sich in Luft auflösen …
Scheinmaterie, hatte die Frau gesagt. Einen Augenblick später jedoch klickklackten meine Schuhe auf dem stabilen Metall. Zwischen den Gitterstäben und den Trittstufen hindurch sah ich, in welch schwindelnder Höhe ich mich noch befand. Trotzdem stieg ich weiter abwärts, in endlosen Zirkeln, aber immer schneller; das Gefühl der Übelkeit nahm ab, je tiefer ich kam, und manchmal hatte ich das Gefühl zu schweben.
Endlich war ich unten. Die Erde schwankte, während ich mit baumelnden Armen und in
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