Die Tuerme des Februar - Phantastischer Roman
mitnimmst.« Davit wandte sich nun zu mir. »Das gilt auch für Sie. Sie gehen doch hoffentlich ebenfalls weg?«
»Ja sicher, ich werde selbstverständlich mit ihm gehen.« Ich versuchte, den Jungen auf mich aufmerksam zu machen. »Gemeinsam gefangen, gemeinsam gehangen, nicht wahr, Tom?«
Aber der Junge achtete überhaupt nicht auf meine Worte; er starrte immer noch Jan Davit an und schien nachzudenken.
» Meine Tagebücher bekommen Sie aber nicht«, sagte ich. »Es steckt jahrelange wissenschaftliche Arbeit darin und die können Sie nicht einfach vernichten.«
»Ich werde sie auch nicht vernichten«, sagte der Wächter.
»Sie werden sie irgendwo verschwinden lassen, damit kein Mensch sie jemals lesen kann.«
»Darüber entscheide ich nicht allein. Aber es ist möglich, dass es so ähnlich kommen wird. Und zwar im Interesse unserer Welt.«
»Ich weiß noch nicht genau, was ich tun werde«, sagte ich, »sie hier lassen oder mitnehmen.«
»Mitnehmen ist verboten.«
»Ich glaube, in den fünfmal vier Jahren hat sich hier allerhand geändert«, sagte ich. »Damals war hier nichts verboten.«
»Möglich«, antwortete Davit in scharfem Ton. »Aber würden Sie bitte in diesem Zusammenhang bedenken, dass ›verbieten‹ und ›verboten‹ Wörter sind, die erst durch Ihr Zutun hier in Gebrauch kamen? Vielleicht lesen Sie die Tagebücher aus Ihrer eigenen Welt daraufhin noch einmal durch.«
»Herrn Alvas Tagebücher gehen mich nichts an!«, rief Tom dazwischen. »Aber mein eigenes kannst du haben, Jan – hörst du? Du kannst es von mir bekommen. Aber ich gebe es nur unter einer Bedingung heraus.«
Jan Davit wandte sich von mir ab. »Und die wäre?«
»Dass du es vorher Téja zu lesen gibst, ehe du es versteckst oder verbrennst oder zerreißt. Erst soll Téja es lesen.«
Jetzt war es Jan Davit, der zögerte. »Und weshalb?«
»Das brauche ich nicht zu erklären … Du bekommst es jedenfalls nur unter dieser Bedingung. Ich habe es nämlich ganz besonders gut versteckt.«
»Aber Téja hat es doch schon gelesen!«
»Nein, nicht alles. Nichts, was die letzten Tage betrifft. Sie muss es noch einmal lesen … Ich habe nichts dagegen, dass du es ebenfalls liest – aber erst nach ihr.«
Jan Davit fasste einen Entschluss. »In Ordnung. Téja wird es lesen.«
»Ehrenwort?«
»Ehrenwort. Es sei denn, dass sie selbst keine Lust dazu hat.«
»Und wann kann ich sie sehen?«
»Das habe ich dir doch schon gesagt: morgen. Du kannst am Tor auf sie warten. Nur noch eins: bitte ab sofort keine Spaziergänge mehr außerhalb des Turmes – beziehungsweise nur mit ausdrücklicher Genehmigung von Wim oder mir. Also abgesehen von morgen nur noch am 1. April den Turm verlassen. Die Zahl der Wächter hier in der Gegend wird noch verstärkt werden …« Davit seufzte. »Und jetzt gib mir bitte dein Tagebuch.«
»Ich hole es eben.«
»Nicht nötig«, sagte ich. »Ich habe es hier, Tom. Ich hoffe, du nimmst es mir nicht übel, dass ich das eine oder andere hineingeschrieben habe.«
»Nein«, sagte er, während ich es ihm überreichte. »Nur schade, dass ich das jetzt nicht mehr lesen kann …« Er fragte Davit: »Darf ich noch ein paar Zeilen hineinschreiben? Eine Art Schluss?«
Jan Davit machte ein Gesicht, als ob ihn sein Versprechen schon wieder reute. Doch er sagte: »Gut. Aber mach bitte nicht zu lang.« Der Junge setzte sich hin und begann hastig zu schreiben.
Davit wandte sich nun wieder zu mir. »Am liebsten würde ich Ihre Tagebücher auch sofort mitnehmen.«
»Du kriegst sie aber nicht«, sagte ich, doch plötzlich fühlte ich, wie die Angst in mir emporkroch. Er ist ein stämmiger, kräftiger Typ. Tom schrieb noch; ich merkte, wie wichtig ihm das war.
»Du bekommst sie nicht! Ich bin alt und Tom ist noch ein Junge – aber dieser Turm hier gehört uns ! Ich würde das mit einkalkulieren, Jan Davit. Ich kenne mehr als nur das eine Wort …« Das war natürlich Bluff und Davit hat bei weitem nicht so viel Angst vor dem Unbekannten wie Jansel. Ich sagte: »Meine Tagebücher betrachte ich als mein Lebenswerk. Ich persönlich glaube nicht, dass unsere Welten voreinander verschlossen werden müssen. Und ich scheue mich auch nicht, in einem Akt der Verzweiflung ein Wort auszusprechen, dessen Folgen ich nicht übersehen könnte …«
»Wir haben noch nicht den 1. April«, sagte er ruhig.
»Ich rede ja auch nicht von einer ›Verschickung‹ in meine Welt. Du hast es selbst gesagt: Es gibt unendlich viele Welten. Eine
Weitere Kostenlose Bücher