Die Tuerme des Februar - Phantastischer Roman
erleuchteter Fleck wahrscheinlich meilenweit zu sehen. Fußtritte auf der Galerie. Besuch. Von wem?
Wir versteckten rasch meine Bücher, Schriften und Papierrollen. Ich hatte noch Toms Tagebuch in Händen und stopfte es in meine Hosentasche.
(Inzwischen haben wir uns ein besseres Versteck für meine Notizen ausgedacht – eigentlich war es Tom, der darauf gekommen ist; es hat allerdings den Nachteil, dass man die Papiere, die man dort versteckt, nur unter größten Schwierigkeiten wieder herausholen kann. Aber zurzeit habe ich sie noch bei mir.)
Zum Glück war es Jan Davit und nicht Wim Jansel.
Er kam »nur mal eben nachschauen, wie es uns ging«; außerdem brachte er Toms alte Sachen und ein Paar Schuhe mit. Dann fiel sein Blick auf die Kokardenblumensträuße und das gefiel ihm nicht; er fing heftig an zu schimpfen.
Tom ist gewachsen, er ist reifer geworden; er ließ Davit einfach ausreden und sagte nach einer Weile ganz ruhig, dass er diese Blumen liebe, weil sie ihn an Téja erinnerten. Er sagte, dass er sie ihr schenken wolle, und ob er sie noch einmal sehen dürfe, denn er habe sie doch lieb. »Dafür kann ich ja schließlich nichts!«, sagte er. »Es ist vielmehr deine Schuld, Jan, denn durch dich haben wir uns kennen gelernt.«
»Ja und nein«, sagte Davit, nun ebenfalls in ruhigem Ton und ein wenig traurig, wie mir schien. »Warum willst du meine Tochter sehen?«, fragte er. »Zum Abschiednehmen? Was hat es denn für einen Sinn, dich zu verabschieden, wenn du doch weißt, dass du sie in Kürze – wenn du am 1. April nach Hause kommst – vergessen haben wirst?« Er setzte sich hin, ohne seine Augen von dem Jungen abzuwenden.
»Wer sagt denn, dass ich nach Hause gehen werde?«, sagte Tom.
»Das musst du wohl oder übel; es bleibt dir gar keine andere Wahl. Du weißt zu viel von dort, um hier zu bleiben; du würdest nie voll und ganz bei uns sein können …«
»Jan Davit hat Recht«, sagte ich, obwohl es mir wehtat, ihm beipflichten zu müssen. »Und du weißt auch das WORT.«
Der Junge warf mir einen kurzen Blick zu. Wird er mich einen Verräter schimpfen oder wird er es verstehen?
Ich sah, dass Jan Davit erleichtert war. Er sagte: »Mein lieber Tim … ja, für mich bist du Tim – aber dein richtiger Name ist Tom. Bald wird dir das WORT den größten Teil deines Lebens zurückgeben – vielleicht sogar den wichtigsten Teil.«
»Aber ist es auch der beste Teil?«, murmelte der Junge. »Früher hast du anders darüber gesprochen.«
Der Mann ließ sich nicht unterbrechen. »Deine Eltern, deinen Bruder … die willst du doch bestimmt wieder sehen? Deinen Vater, deine Mutter …«
»Ja, das möchte ich gern«, flüsterte Tom. Dann fragte er plötzlich: »Wo ist eigentlich Téjas Mutter?«
Jan Davit erstarrte. Er antwortete: »Nicht hier. Sie ist in einer anderen Welt.«
»In einer anderen … in unserer, in m-meiner Welt?«, stammelte Tom.
Auch ich war verblüfft. Über Jan Davits Frau hatte ich mir noch nie Gedanken gemacht.
Jan Davits nächste Antwort überraschte mich noch mehr: »Nicht in meiner und auch nicht in deiner. In einer anderen Welt, habe ich gesagt. Du hast doch selbst das Axiom aufgeschrieben: ›Es gibt andere Welten als diese.‹ Welt en . Mehrzahl. Unzählbare Welten. Die meisten wissen nichts voneinander. Viele verschließen sich voreinander. Wenn zwei einander begegnen, folgt fast unabwendbar ein Abschied – und wenn man noch so viele Worte aussprechen würde. Ich erinnere mich sehr wohl an meine Frau, an Téjas Mutter. Ich glaube jedoch nicht, dass sie sich an mich erinnert. Mehr möchte ich über diesen Punkt nicht sagen.«
Wir schwiegen einen Augenblick. Dann sagte Jan Davit leise: »In deinem Fall ist es so, dass Téja sich bestimmt an dich erinnern wird. Muss es ihr durch einen Abschied noch schwerer gemacht werden?« »Es braucht ja kein t-trauriger Abschied zu sein.« Tom begann zu stottern. »Ich …« Er hielt einen Augenblick inne. »Ich möchte nur … Ich werde ihr bestimmt das Herz nicht schwer machen. Ich …« Er war aufgestanden. »Ich möchte sie einfach noch einmal sehen und mit ihr durch die Dünen spazieren, über den verbotenen Pfad, oder zum Strand, oder wohin auch immer. Nur nicht hier im Turm!«
Auch Davit erhob sich. »Also gut. Du darfst dich mit Téja treffen – morgen, egal wann. Allerdings unter einer Bedingung: dass du mir jetzt dein Tagebuch gibst.«
»Mein Tagebuch? Und wirst du es dann …?«
»Ich will nicht, dass du es am Mittwoch
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