Die Tuerme des Februar - Phantastischer Roman
einfach alles! Aber die Kokardenblumen waren vom Sturm geknickt und ganz zerzaust und vor dem fensterlosen Häuschen hatte sie Angst. Ich nicht – nun nicht mehr.
Wir mussten miteinander sprechen, aber wir hatten keine Lust dazu. Wir wanderten kreuz und quer durch die wilde Dünenlandschaft; aber schließlich wurde es uns doch zu kalt. Und so führte sie mich irgendwo ins Warme, wo wir etwas trinken konnten. Wir saßen an einem Fenster, von dem aus unser Blick über die graue See schweifte, und ich erzählte ihr von meinem Plan.
Sie aber sagte, so wie es auch ihr Vater getan hatte, dass ich gehen müsse. Wir setzten uns auf einen anderen Platz, so dass ich die See nicht dauernd vor Augen hatte; wir spielten mit unseren Händen, und ich sagte, dass ich nicht fortwolle. »Du weißt auch, warum!«
Sie sagte: »Hier und jetzt lieben wir einander. Und wenn du mich vergisst – was ich mir beinahe nicht vorstellen kann –, dann muss es eben so sein.«
»Aber weshalb muss es so sein? Ich will einfach nicht glauben, dass es so kommen wird – so, als ob es ein Naturgesetz wäre. Und trotzdem habe ich Angst, dass es geschehen wird. Aber wie wäre es denn, wenn du mit mir gehen würdest?«
Das hätte ich nicht sagen sollen. Ich wusste doch sowieso, dass sie nicht mitgehen will oder nicht mitgehen kann. Und trotzdem machte ich ihr im Stillen Vorwürfe. Ihre Augen standen plötzlich voller Tränen, aber sonst änderte sich ihr Ausdruck nicht. »Ich bin von hier – hier ist mein Zuhause; hier ist für mich alles genau richtig und gut. Irgendwo anders könnte ich nicht leben. Ich würde dort unglücklich sein und es dir vorwerfen. Ich will Jan behalten, dies alles hier, heute, gestern … Ich möchte es nicht verlieren, nein, ich möchte das alles behalten. Auch dich, Tim, auch dich, aber ich sehe jetzt ein, dass das nicht möglich ist. Du kannst auch nichts daran ändern; erst jetzt verstehe ich, warum du immer weitergesucht hast – auch wenn dieses Suchen uns jetzt zu diesem Punkt gebracht hat … Tim, ich will nicht vergessen ; wenn es stimmt, was sie hier alle sagen, dann werde ich aber doch alles vergessen, wenn ich mitgehe. Selbst an dich würde ich mich nicht erinnern; wir würden uns in deiner Welt wie Fremde gegenüberstehen …«
»Und uns von neuem ineinander verlieben!«
»Wieso bist du da so sicher? Deine Welt ist nicht die meine. Vielleicht bist du dort ganz anders als hier …«
Ich sagte: »O nein, bestimmt nicht«, aber sie schüttelte den Kopf und entzog mir ihre Hände. »Mein lieber, lieber Tim, es gibt für dich nur eine einzige Möglichkeit: Du musst gehen. Höre auf mich, ich bin älter als du.«
»Du bist nicht älter!«
»Ich meine nicht älter an Jahren – das wäre mir völlig egal.«Diese Seiten sind mit Flecken übersät und nur mühsam zu entziffern.
Später schlenderten wir langsam zurück.
»Wenn ich bestimmt wüsste, dass ich dich nicht vergessen würde«, sagte ich, »dann würde ich vielleicht doch gehen; denn dann könnte ich ja jederzeit hierher zurückkehren. Aber du hast sicher keine Lust, vier Jahre auf mich zu warten.«
Sie entgegnete, dass sie in diesem Augenblick durchaus bereit sei, vier Jahre zu warten; aber wer kann mit Sicherheit wissen, so fragte sie, wie man in vier Jahren denken und empfinden wird?
»Ich habe mein Tagebuch aus der Hand gegeben als Tauschobjekt für dieses Zusammensein mit dir!«
»Ich weiß.«
Ich kann nicht beschreiben, wie sie aussah; sie war noch immer nass, und traurig und hübsch zugleich.
Der Gedanke an meinen Plan nahm mich immer stärker gefangen. Ich könnte so tun, als ob ich gehen würde, als ob ich das WORT an einer ruhigen Stelle am Strand aussprechen würde; stattdessen würde ich flüchten und gleichzeitig hier bleiben: indem ich mich auf einem Frachter versteckte, auf einem Schiff mit Kurs auf England … dort würde ich eine Zeit lang bleiben oder vielleicht auch noch weiterreisen, um dann lange nach dem 1. April zurückzukommen, als jemand von dieser Welt – als Téjas Vetter Tom aus Atlantis. Sie nennt mich Tim, immer nur Tim. Ihr Vetter aus Atlantis heißt aber Tom … Ist das nicht sehr merkwürdig?
Sie wollte mir jedoch auf meine Fragen und Pläne nicht mehr antworten; sie wollte nur noch, dass ich sie küsste. Und dann sagte sie, dass sie in mein Tagebuch einen Schluss geschrieben habe, oder besser ausgedrückt eine Antwort, und dass ich sie erfahren soll, bevor ich weggehe.
30. März
Herr Alva und ich haben seine
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