Die Tuerme des Februar - Phantastischer Roman
ich an jenem Morgen nicht gesehen.
Gestern bin ich zu seiner Wohnung hinaufgegangen – nicht mit dem Lift, sondern zu Fuß über die Treppe. Alles war abgeschlossen; man sagte mir, er sei verreist. Ich habe eine Zeit lang draußen auf der Galerie gestanden. Überall ringsum sind Wohntürme, viel mehr als nur zwei. Auch das Meer konnte ich sehen.
Eines weiß ich ganz sicher: Habe ich dort damals das WORT ausgesprochen? Ja!
3. Juni 1964
Der Arzt sagt, ich solle mir keine Sorgen machen. Ich würde es zu gegebener Zeit sicher wiedererlangen (das Gedächtnis). Und sollte es nicht zurückkommen, so sei auch das keine Tragödie, sagt er. Der hat gut reden – er hat ja überhaupt keine Ahnung!
Weshalb erinnere ich mich eigentlich nicht an das WORT? Im Februar wusste ich es doch. Ich muss es herausfinden können; ich habe noch mal durchgelesen, was ich am 27. März in mein Spiegeltagebuch geschrieben habe – dort muss es zu finden sein. Wäre nur Herr Alva hier! Er ist nicht verreist, weder nach England noch nach Amerika. Er ist noch dort ! Ob er wohl immer noch im Turm gefangen sitzt?
1967 71)
71) Ohne Datum; die Jahreszahl ist später hinzugefügt worden. Dies ist der Anfang eines neuen Tagebuchs, allerdings immer noch im gleichen Notizbuch. Während der Jahre 1965 und 1966 hat Tom offensichtlich nichts geschrieben.
Dies hier entdeckte ich – und es gab mir fast einen Schock – in einem Gedicht von Lewis Carroll, dem Dichter und Mathematiker. Es stand in der Erzählung Through the Lookingglass , die ebenfalls in einer anderen Welt spielt, selbst wenn der Dichter sagt, es sei nur ein Traum.
And now if e’er by chance I put
my fingers into glue,
Or madly squeeze a righthand foot
into a lefthand shoe,
Or if I drop upon my toe
a very heavy weight,
I weep, for it reminds me so
of that old man I used to know –
Whose hair was whiter than the snow …
It reminds me so of my Tagebuch (mir fällt im Augenblick nicht das englische Wort für Tagebuch ein). Es erinnert mich an Herrn Alva beziehungsweise an Thomas Alva, den Wissenschaftler und Erfinder. Und an die Spiegel. Ich habe vor, aus meinem Tagebuch ein richtiges Buch zu machen. Und dann soll dieses Gedicht auf der ersten Seite stehen.
to remind – sich erinnern. Ich kann mich noch immer nicht an das WORT erinnern. Aber ich habe zumindest eine Vermutung, wie es ungefähr heißen könnte. Diese Vermutung tauchte auf, als ich mein Tagebuch von dort noch einmal las.
Dienstag, 28. Februar 1967
Nach dem 28. Februar folgt der 1. März. Im nächsten Jahr wird es hier jedoch wieder einen 29. Februar geben. Dann würde ich wieder die Möglichkeit haben, nach dort zu gehen, falls man den Theorien des Herrn Alva Glauben schenken darf. Als ich 14 war, glaubte ich daran; jetzt scheinen sie mir an den Haaren herbeigezogen und unglaubwürdig. Schaltsekunde und Schalttag!
Aber andererseits: Herr Alva ist noch immer nicht wiedergekommen.
Und da ist ja auch mein Tagebuch. Seine Existenz lässt sich nach wie vor nicht erklären. Einen ganzen Monat lang hat man mich überall gesucht, ohne mich zu finden. Während dieses Monats habe ich den überwiegenden Teil der Tagebuchnotizen geschrieben. Und zwar in Spiegelschrift. Befand ich mich in einem Trance-Zustand, als ich dies alles schrieb? Oder habe ich es geträumt? Aber man träumt doch keinen ganzen Monat lang! Und wo war ich, als ich es schrieb? Ich befand mich in einer Welt, die in mancherlei Hinsicht ein Spiegelbild (verzerrt? verbessert?) dieser Welt war. So etwas ist doch, vom wissenschaftlichen Standpunkt aus gesehen, unmöglich? Etwa in der Richtung von Materie und Antimaterie, die einander aufheben. Nein, es muss anders gewesen sein: Ich selbst verwandelte mich in mein eigenes Spiegelbild. Nicht dagegen das Tagebuch, die (Wohn-)Türme und andere unbeseelte Gegenstände. Es ist jammerschade, dass ich nicht noch mehr Seiten aus Herrn Alvas Tagebuch besitze – vor allem jene, auf denen die Theorien dieses »Denosi« erörtert werden. (Anagramm 72) von Edison!) Schade auch, dass ich nicht mehr über die Gespräche mit ihm und den Wächtern aufgeschrieben habe.
72) Anagramm (griech.): Wortumbildung durch Buchstabenversetzung, z. B. Beil, lieb, Leib, Blei (Der Große Herder)
Es macht mich fast wahnsinnig, dass das Tagebuch so unvollständig ist. Ich kann zwar etwas dazuphantasieren, aber was nutzt mir das? Selbst die einfachsten Dinge muss ich raten. Nun gut, die Türme sind ganz normale (??) Wohnhäuser, und die mit
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