Die Tuerme des Februar - Phantastischer Roman
auf wie ein Schatten, legte das Büchlein zu meinen Füßen nieder und war auch schon wieder verschwunden. Ich habe noch nach ihm gesucht, jedoch nicht lange; dann bin ich weggerannt. Ich weiß bestimmt, dass ich verfolgt wurde, von Wächtern oder anderen Leuten; sie müssen auch jetzt hier in der Nähe sein.
Als ich mich nach den Türmen umschaute, waren beide dunkel; aber jetzt kann ich sie schon lange nicht mehr sehen. Ich sitze hier fröstelnd am Fuß einer Düne, meine Augen auf Strand und See gerichtet, in der Nähe des Hafens.
Jetzt gleich wird die Sonne aufgehen.
Ganz hinten in der Ferne sehe ich eine winzige Gestalt auf dem Strand – kommt sie näher? Oder nicht? Ein Mensch?
Soll ich das WORT aussprechen – ja oder nein 69)
69) Hier endet das Tagebuch »inter menses februarium et aprilem«. Es steht jedoch noch mehr in diesem Notizbuch (siehe Vierter Teil: Epilog).
Vierter Teil
Epilog
Tagebuch-Fragmente: von Mai 1964 bis 29. Februar 1968,
sowie Zeitungsausschnitte, ein Brief vom 30. April 1972, ein Aufruf und ein Nachwort von
Tonke Dragt von 1973 mit Nachträgen von 1985 und 2000
Zwei Zeitungsausschnitte
1. Aus dem Stadtanzeiger
vom 2. März 1964
Am Samstag, den 29. Februar, hat der 14-jährige Schüler Thomas Wit (Rufname Tom) sein Elternhaus mit unbekanntem Ziel verlassen.
Personenbeschreibung: Der Junge ist für sein Alter ziemlich groß. Er hat dunkelblondes Haar und graublaue Augen. Bekleidet war er vermutlich mit dunkelblauen Jeans, einem grau gemusterten Pullover und blauem Anorak. Hinweise über den Verbleib des Jungen nimmt jede Polizeidienststelle entgegen.
2. Aus dem Stadtanzeiger
vom 2. April 1964
Gestern wurde der inzwischen 15-jährige Tom Wit, über dessen Verschwinden wir in unserer Ausgabe vom 2. März berichteten, wiedergefunden. Nachdem er etwa einen Monat lang spurlos verschwunden war, wurde er gestern Nachmittag zufällig von einem Nachbarn der Familie Wit gesehen und erkannt. Der Junge irrte durch das Dünengebiet, das in der Nähe des Hafens liegt. Während sein Gesundheitszustand nichts zu wünschen übrig lässt, macht er in geistiger Hinsicht einen ziemlich verwirrten Eindruck. Wie er sagt, kann er sich beim besten Willen nicht daran erinnern, was er während des verflossenen Monats getan und wo er sich aufgehalten hat. Er konnte lediglich angeben, dass er sich plötzlich am Strand befunden habe, und zwar in der irrigen Meinung, es sei erst der 29. Februar …
Mai 1964 70)
70) Fortsetzung von Tom Wits Tagebuch, und zwar beginnend auf der ersten Seite nach dem 29. Februar 1964. (Der Bericht vom 30. Februar bis zum 1. April steht, selbstverständlich in Spiegelschrift, am anderen Ende.)
Erst jetzt habe ich alles gelesen, was die Zeit zwischen dem 30. Februar und dem 1. April in X betrifft. Ich weiß überhaupt nicht, was ich davon halten soll; ich bin völlig durcheinander.
27. Mai 1964
Ich habe dieses Tagebuch sorgfältig versteckt; der Arzt weiß jedoch davon und möchte gerne, dass ich es ihm zu lesen gebe. Ich bin doch nicht verrückt! Aber vielleicht bin ich tatsächlich verrückt. Ich bin gerade dabei, es noch einmal durchzulesen (was ziemlich lästig ist, weil ich einen Spiegel dazu benutzen muss), und – ich erinnere mich an nichts , an gar nichts.
Und doch muss ich es selbst geschrieben haben; ich bin sicher, dass es meine Handschrift ist (nur unordentlicher). Ich habe es mir auf keinen Fall nur ausgedacht, das weiß ich bestimmt. Wenn ich es also nicht ausgedacht, aber trotzdem niedergeschrieben habe, muss ich es erlebt haben. Wie schrecklich, so etwas zu erleben und sich dann nicht mehr daran zu erinnern!
O nein, ich bin nicht übergeschnappt. Ich habe nur meine Erinnerung an diese Monate verloren, und das ist ganz normal – zumindest dann, wenn ich wirklich dort war. Ich war im März dort und bin im April zurückgekommen; und jedes Mal wenn ich versuche, die Erinnerung heraufzubeschwören, sage ich zu mir selbst: die Türme des Februar.
28. Mai
Die beiden anderen Handschriften in meinem Tagebuch sind doch ebenfalls Beweise dafür, dass es tatsächlich passiert ist. Herr Alva (Avla) und Téja. Ich habe Téja vergessen! Ich wünschte, ich würde sie kennen.
30. Mai
Ich erinnere mich gut an alles, was vor dem 29. Februar war. Selbst daran, dass ich am 29. ganz frühmorgens unser Hochhaus verlassen habe und zum Strand gegangen bin. Es dämmerte gerade, als ich am Rand der Wellen stand. Ich habe jedoch keine Erinnerung an das WORT.
Herrn Alva habe
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