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Die Tuerme des Februar - Phantastischer Roman

Die Tuerme des Februar - Phantastischer Roman

Titel: Die Tuerme des Februar - Phantastischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tonke Dragt
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einem Blitz gezeichnete Tür an dem fensterlosen Häuschen weist auf die GEW hin, die städtischen Gas-, Elektrizitäts- und Wasserwerke. Wer jedoch sollte Interesse daran haben, ein Transformatorenhäuschen hinüberzubefördern? So was geschieht doch nicht versehentlich! Gab es dort elektrisches Licht? Ich lese nur von »Lampen«. Und was war es zum Beispiel für ein Fahrzeug, mit dem »meine Verfolger« am Abend des 20. März wegfuhren? Wie sah die »fröhliche« Stadt aus, in der ich über drei Wochen wohnte, in einem Haus voll unvermuteter Ecken? Die Stadt, in der es mir sogar Spaß machte, zur Schule zu gehen?
    Und ferner: Atlantis. Befand ich mich in einer »alternativen« Welt, in der jener Kontinent noch nicht versunken ist? Zurzeit lese ich wieder Bücher über Atlantis, eins nach dem andern, aber klüger bin ich dadurch nicht geworden.
    Ich habe bis jetzt nur eine einzige Sache ganz konkret überprüft: die Kokardenblume gibt es auch hier – eher bekannt unter dem Namen »Gaillardia« 73) . Sie blüht mitten im Sommer, auf keinen Fall im März. Eine herrliche Blume!
    73) Gaillardia: Kokardenblume, Stauden mit großen braunen oder gelben Blüten (Der Große Herder)
    Ich möchte nicht über Téja schreiben. Ich habe eine bestimmte Vorstellung von ihr, aber es kann sein, dass sie total verkehrt ist. Ich habe sie vergessen. Wenn sie so war (oder ist), wie ich meine, kann es doch eigentlich gar nicht möglich sein, dass ich sie vergessen konnte?!
    Früher hatte ich niemals irgendwelche Phantasien, die Ähnlichkeit mit meinen Tagebuch-Aufzeichnungen gehabt hätten. Jetzt habe ich sie – aber erst seitdem ich die Aufzeichnungen gelesen habe.
    Kein Mensch fragt mich je nach dem Monat, in dem ich mein Gedächtnis verloren hatte; aber ich vermeide es auch, darüber zu sprechen. Mein Tagebuch hat man bis heute nicht entdeckt; vielleicht haben sie es inzwischen vergessen, oder aber sie glauben, dass es überhaupt nicht existiert hat. Ich selbst denke sehr oft daran, ja, ich kenne es fast auswendig.
    Ab und zu sehe oder höre ich etwas, was mir das Gefühl gibt, die Erinnerung greifbar nahe zu haben. Zum Beispiel ein Gesicht, das ich noch nie gesehen habe und das mir doch vertraut vorkommt, oder ein Ort, an dem ich noch nie war und den ich doch zu kennen meine. Allerdings ist dies eine Erfahrung, die jeder von uns schon mal macht.
    Ein anderes Gefühl ist viel unangenehmer. Dann scheint plötzlich alles und jedes unbekannt zu werden, alles wird mir plötzlich fremd – so als ob ich hier nicht mehr hingehörte.
    1. März 1967
    So als ob ich hier und jetzt nicht mehr zu Hause sei.
    »Anpassungsschwierigkeiten« nennen das die anderen.
    Was würden sie wohl sagen, wenn sie mein Spiegeltagebuch lesen würden, inter menses februarium et aprilem?
    Mittwoch, 8. März 1967
    Gestern während der Physikstunde fuhr ich plötzlich zusammen: Ein Transformatorenhaus aus dieser Welt hier ist eigentlich etwas ganz Besonderes. Diejenigen, die seine Funktion kennen, könnten ohne weiteres auf alle möglichen philosophischen Gedanken kommen. Das gilt vor allem für solche Leute, die über das Axiom Bescheid wissen. Denn was tut ein Transformator? Umsetzen . 74) In gewisser Weise ist auch das WORT ein Transformator, zumindest für beseelte Lebewesen.
    74) Transformator (Lat. = Umwandler): elektrotechnische Vorrichtung zur Umwandlung von Wechselstrom in einen solchen anderer Spannung (Der Große Herder)
    Donnerstag, 1. Februar 1968
    Heute sind es genau vier Jahre her, seit ich anfing, in dieses Büchlein zu schreiben.
    Voriges Jahr, 1967, habe ich aufs Neue begonnen, Tagebuchaufzeichnungen zu machen; am 22. März habe ich eine neue Kladde dazu genommen.
    Den Anfang aus der Kladde übertrage ich jetzt in dieses Büchlein; es sind noch ein paar Seiten frei, die ich dazu benutzen möchte, alles ein wenig abzurunden und zu vervollständigen.
    22. März 1967 (Mittwoch) 75)
    75) Toms Geburtstag (Er wurde an diesem Tag 18 Jahre alt.)
    Ich bin in den Dünen gewesen. Es regnete und gleichzeitig schien die Sonne. Die Beleuchtung war eigenartig – sie wirkte unwirklich und sehr aufregend. Ich schaute mich nach unseren Hochhäusern um und sah sie plötzlich ganz anders als sonst … so, wie ich sie am 30. Februar gesehen haben muss: als ob sie nicht hierher gehörten , in trügerischem Gelb glänzend, hoch aufragend vor den dunklen Wolken.
    Danach ging ich den Strand entlang; ich begegnete einem braunen Hund (keinem rotbraunen), der mit einem Stock

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