Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Türme von Toron

Die Türme von Toron

Titel: Die Türme von Toron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R. Delany
Vom Netzwerk:
nicht so schlimm gewesen war. Stellen Sie sich vor: ein Siegesball, und ›nicht so schlimm‹! Ist es nicht schrecklich? Diese Einstellung des Kindes!« Die Frau zog die Schultern hoch.
    »Entschuldigen Sie mich«, bat Clea erneut. »Es tut mir leid, aber ich muß in meine Wohnung und mir ein paar Sachen holen. Verzeihen Sie.« Sie rannte an der Frau vorbei in das Treppenhaus. Dann wurden ihre Schritte langsamer. Sie versuchte sich an etwas zu erinnern, das mit den Namen Vol Nonik und Renna zusammenhing. Dann entsann sie sich, was sie über den Dichter gehört hatte! Sie erinnerte sich an sein Gedicht. Sie erinnerte sich an Rennas Bild. Ohne sich näher damit zu befassen, denn diese Erinnerung lag noch vor der Zeit ihrer drei Entdeckungen, hastete sie die Treppe hoch.
     
    Sie öffnete das Daumenabdruckschloß und trat in ihr Apartment. Die Jalousien waren heruntergezogen.
    Es ist wie in einer Höhle hier, dachte sie, hier, wo ich soviel Zeit zugebracht habe. Nicht einmal genügend Platz gibt es, daß ein Artist ein Rad schlagen könnte. Es ist zu düster, um die bunte Schminke auf dem Gesicht eines Clowns zu sehen, selbst wenn er gar nicht weit von mir entfernt stünde. Und man kann keine Vibraphonmusik hören.
    Sie war zurückgekommen, um ihr Notizbuch mit den ungewöhnlichen Formeln zu holen, die sie geglaubt hatte, nie wieder anzusehen. Aber schließlich war ich ja auch überzeugt, dachte sie, daß ich auch sonst nie wieder etwas ansehen wollte. Sie trat an den Schreibtisch und dachte an Alter, Mr. Triton und all das Rot und Gold, das für sie der Zirkus war. Als sie die Schublade herauszog, stützte sie ihre andere Hand auf die Tischplatte, und ihre Finger streiften zerknülltes Papier. Sie runzelte die Stirn, richtete sich auf und strich das Plakat glatt. Scharlachrote Lettern leuchteten grell auf Grün.
    WIR HABEN EINEN FEIND JENSEITS DER BARRIERE
    Heftig riß sie das Plakat auseinander, dann noch einmal, und zerfetzte es schließlich in noch kleinere Stücke, ehe sie alles in den Papierkorb warf. Jetzt erst griff sie nach ihrem Notizbuch, schob es in eine Tasche, und verließ die Wohnung.
    Im Korridor, um eine Ecke herum, polterte etwas zu Boden, und riß sie aus der Tiefe ihrer unerklärlichen Wut. Sie rannte schnell in die Richtung, um zu sehen, was passiert war.
    »Oh – oh – guten Morgen, Miß Rahsok.«
    »Dr. Wental, es ist drei Uhr nachmittags!« rief Clea. »Ist es nicht ein wenig früh für diesen – diesen Zustand?«
    Der Arzt drückte den Finger auf die Lippen. »Pssst! Ich möchte nicht, daß meine Frau mich hört. Ich feiere.«
    »Was in aller Welt feiern Sie denn?«
    »Die Krönung des jungen Königs, was sonst?« Als er versuchte, auf die Füße zu kommen, nahm Clea seinen Arm. »Die Bars sind zum Ber … (Rülps) … sten gefüllt. Alle feiern!« Der Arzt schüttelte den Kopf und stützte sich gegen die Wand. »Ein neuer König, und eine neue Ära, sage ich Ihnen. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie schön eine neue Ära sein wird. Aber Sie wissen ja auch nicht, wie die alte war. Wer ahnt schon, wie hoch ich steigen, was ich alles erreichen werde …«
    »Wovon reden Sie eigentlich?«
    »Meine Praxis, meine Arbeit«, erwiderte der Arzt und gluckste. »Jeden Tag kommen neue Patienten auf Empfehlung zu mir. Jeden Tag.«
    »Geht es Ihrem Lupus Erythematodes-Patienten besser?«
    »Eh – welchem?«
    »Dem ersten. Erinnern Sie sich, Sie hatten Schwierigkeiten, die Medikamente für ihn zu bekommen.«
    »Oh, der! Er starb. Es gab einen kleinen Skandal, als jemand mich beschuldigte, ich hätte ihn falsch behandelt. Aber man konnte mir nichts nachweisen. Ich habe Bekannte im Rat. Nein, sie konnten mir nichts nachweisen. Viel wichtiger ist, daß die Leute von den Empfehlungen hörten, und jeden Tag …«
    »Ich glaube, den Rest des Weges schaffen Sie auch allein, Dr. Wental«, meinte Clea.
    »O ja, natürlich. Aber wenn alles gutgeht, dann muß man eben hin und wieder ausbrechen und feiern …«
    »Nicht diese Tür«, warnte Clea. »Die nächste.«
    »Oh. Danke!« Unsicher schwankte er zu seiner Wohnung. »Ja, ich danke Ihnen vielmals. Aber bitte, seien Sie jetzt ganz still, denn ich möchte nicht, daß meine Frau …«
    Clea ließ ihn allein, als er am Daumenabdruckschloß herumfummelte.
    Die Unterhaltungsgruppe, die Mr. Triton gestellt hatte, wartete im Palastgarten auf den Beginn der Festlichkeiten. Clea spazierte über die gepflegte Grünfläche, die von Kieswegen mit Granitbänken

Weitere Kostenlose Bücher