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Die Türme von Toron

Die Türme von Toron

Titel: Die Türme von Toron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R. Delany
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schon.«
    Curly fuhr sich mit einer schlammüberzogenen Hand über die Stirn.
    »Verdammt.« Er lachte verlegen. »Es gab da diesen Burschen in der Dissigang, mit der ich mich in Toron herumtrieb. Er schrieb seltsame Gedichte. Sein Name war Vol Nonik, ein komischer Kerl. Ich wollte, ich hätte es ihm gezeigt, denn dann hätte er sicher ein Gedicht darüber gemacht. Man nahm ihn nicht in die Armee auf, weil mit seinem Rücken irgend etwas nicht stimmte. Also zeige ich es eben dir …« Er lachte erneut, dann blickte er auf seine Hände hinunter. »Du hast doch noch nie jemanden zuvor das tun sehen, oder?«
    »Was tun sehen?«
    »Schau!« brummte Curly. »Sieh dir meine Hände an … Schau schon!«
    »Ich verstehe nicht …«
    »Wir kommen vielleicht nicht mehr lebend hier heraus«, murmelte Curly. »Also sieh dir meine Hände an!«
    Tel starrte auf die wie zu einer offenen Schale zusammengedrückten Handflächen.
    Sie begannen zu glühen!
    Zuerst leuchteten sie bläulich durch den Nebel, dann wurde das Blau allmählich zu Rot – ein rotes Feuer flackerte auf, über den Handflächen bildete sich eine rote Feuerkugel, durch die sich grüne und plötzlich gelbe Flammen zogen.
    »Schau!« hauchte Curly. »Siehst du?«
    Der Flammenball streckte sich aus, wurde immer schmaler und spaltete sich an zwei Enden. Arme und Beine wurden erkennbar, eine schmale Taille, ein Köpfchen hob sich. Winzige Flammenzungen zuckten aus zierlichen Fingern. Die formvollendete Miniaturgestalt tänzelte auf Zehenspitzen auf den Handflächen. Blaue, kupferne und goldene Flammen sprühten aus ihrem Körper. Ein schwacher Windzug brachte ihr schimmerndes, funkelndes Haar zum Flattern. Sie hob die Arme und wisperte (eine Stimme wie das sanfte Rauschen von Wasser über Sand): »Curly, ich liebe dich. Ich liebe dich, Curly, ich liebe dich …«
    »Ist sie nicht – wunderschön …« Curlys Flüstern klang, verglichen mit dem des winzigen Figürchens, wie das Raspeln von zwei Feilen gegeneinander. Jetzt atmete er tief, und sie verschwand.
    Als Tel von den schlammigen Fingern aufblickte, starrte Curly ihn an: »Hast du jemals jemanden so etwas tun sehen?«
    Tel schüttelte sprachlos den Kopf. Erst nach einer Weile stammelte er: »Wie – wie bringst du das fertig?«
    »Ich weiß es nicht«, erwiderte Curly. »Ich – ich tue es eben. Früher träumte ich von ihr, ich meine, ehe ich zur Armee kam. Dann dachte ich mir einmal, was würde geschehen, wenn mein Traum Wirklichkeit werden könnte. Und da war sie plötzlich – so wie du sie gesehen hast – in meinen Händen. Noch nie habe ich sie einem anderen gezeigt. Aber mit all dem …« Er machte eine weitausholende Handbewegung. »Ich dachte mir eben, ich sollte sie doch jemandem zeigen.« Auf einmal war er schrecklich verlegen. »So ist es«, schloß er.
    Tel blickte auf seinen kleinen Liebling. Die glänzenden Augen des Flup-Flips waren offen. Er fragte sich, ob das Federknäuel ebenfalls das Flammenmädchen so echt, so lebendig wie er gesehen hatte.
    Das Wimmern eines Tankmotors hinter ihnen wurde lauter. Plötzlich wirbelte Tel im Schlamm herum und sah die heranbrausende Maschine. »Schnell! Raus!« brüllte er Curly zu, der ihn zuerst verwirrt anstarrte, doch dann nach rechts sprang. Tel schoß nach links. Der Tank kam auf ihn zu, schwenkte um Zentimeter ab und fuhr an ihm vorbei. Tel warf sich herum, machte ein paar Schritte rückwärts. Einen Augenblick war er so nahe, daß er durch die Fahrerkuppel sehen und Quorl hinter dem Steuerhebel erkennen konnte. Dann war der Tank auch schon an ihm vorbei und polterte durch den Steinsackwall. Der Nebel verschlang ihn und schien die Lücke sofort zu verschließen.
    Was zum Teufel geht hier vor, fragte sich Tel. Ein paar Soldaten rannten in ihre Richtung. Die Stimme eines Offiziers hielt sie an. »Seht zu, daß ihr den Wall verstärkt. Oder wollt ihr vielleicht warten, bis sie hier eindringen und hinter die Linie gelangen?«
    Tel rannte zu den Steinsäcken, als ein weiteres Geschoß einschlug. Im grellen Licht sah er Shrimp auf dem Wall im Stacheldraht hängen. Seine linke Seite war schwarz – verkohlt! Der Schlamm hatte den Rest der Uniform vor den Flammen geschützt. Von seinem linken Bein war kaum etwas übrig, vom Arm nur Knochen, und eine Wange sah wie zerknittertes Kohlepapier aus. Der Rest des Gesichts war auf grauenvolle Weise erkennbar. Brennend und von Panik ergriffen, mußte er versucht haben, auf den Wall zu klettern, dabei hatte er den

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