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Die Tulpe des Bösen

Die Tulpe des Bösen

Titel: Die Tulpe des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Kastner
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Dienstag der vergangenen Woche, als Nicolaas van der Zyl hier ein Fest für die ›Verehrer der Tulpe‹ gegeben hatte. Er dachte auch an die schöne Catrijn und war froh, daß sie an diesem Abend nicht da sein würde. So brauchte er sich keine Gedanken darüber zu machen, was sie von ihm wollen könnte – oder er von ihr.
    Im Gegensatz zu jenem Abend, an dem das Haus hell erleuchtet gewesen war und man das muntere Plaudern der Gäste bis hinaus auf den Damrak gehört hatte, wirkte es nun fast verlassen. Nur hinter einigen wenigen Fenstern im Erdgeschoß brannten Lampen, und niemand wäre auf die Idee gekommen, daß der Amtsrichter. Besuch erwartete.
    Van der Zyl öffnete die Haustür selbst und sagte nach einer kurzen Begrüßung: »Ich habe den Bediensteten heute abend freigegeben, damit wir gänzlich ungestört sind. Es gibt also nur ein einfaches Essen, ein paar kalte Speisen, die meine Köchin am Nachmittag vorbereitet hat. Das ist Euch hoffentlich recht, Jeremias.«
    Das war eine gewaltige Untertreibung gewesen. Er führte seinen Gast in das kleine Zimmer, in dem sie sich über Katoens Besuch bei Antonius Swildens, dem Herausgeber des Amsterdamer Volksblattes, unterhalten hatten. Der Tisch war mit Schüsseln aus Porzellan und Schalen aus Kristall eingedeckt, allesamt gefüllt mit Speisen, wie manche arme Familie sie das ganze Jahr über nicht auf den Tisch bekam: Fleisch-und Fischpasteten, Muscheln und Krabben, einer Käsetorte und gefüllten Schinkenröllchen, Eierkuchen und Waffeln, Mandeln und Rosinen, gezuckerten Früchten und Nußkonfitüre. Dazu gab es roten Wein, ›einen guten Burgunder‹, wie van der Zyl sagte.
    Der Tag war lang gewesen, und die üppig gedeckte Tafel weckte Katoens Appetit. Er ließ es sich ordentlich schmecken und genoß den Burgunder.
    Van der Zyl erkundigte sich nach Barent Vestens: »Habt Ihr schon etwas aus ihm herausbekommen?«
    »Nicht mehr als das, was er in der Gravenstraat erzählt hat. Im Augenblick zeigt er sich eher verstockt. Vielleicht müssen wir es mit der Peitsche versuchen, aber dazu sollte er sich erst etwas von seinen Verletzungen erholen.«
    Van der Zyl schluckte den letzten Bissen einer Fleischpastete herunter und nickte beifällig. »Es ist gut, wenn Ihr da nichts überstürzt, Jeremias. Seid bei Vestens lieber etwas vorsichtig. Durch seine Stellung bei Joan Blaeu könnte er in höheren Kreisen Freunde gewonnen haben. Auch wenn wir die Peitsche tagtäglich anwenden, um den Übeltätern Geständnisse zu entlocken, verboten ist es dennoch. Wenn so ein Strolch wie dieser Kuppler, Dircks hieß er wohl, sich darüber beschwert, hört niemand zu, aber bei Vestens könnte das anders sein.«
    »Das meiste hat er ohnehin schon ausgeplaudert«, sagte Katoen, während er sich ein Stück von der Käsetorte abschnitt. »Schön wäre es allerdings, wenn wir mit seiner Hilfe die ganze Kartenschnapperbande ausheben könnten, dann wären wir dieses Problem ein für allemal los. Aber auch wenn nicht, dürften wir für einige Zeit Ruhe vor den Kerlen haben. Vestens hat gestanden, ihr Anführer gewesen zu sein.«
    Van der Zyl schüttelte den Kopf. »Unglaublich, das ist einfach unglaublich. Ich habe in meiner langen Zeit als Amtsrichter schon vieles gehört und gesehen, aber dies gehört mit Abstand zu den tollsten Geschichten. Mein guter Freund Joan Blaeu wird von einer Bande bestohlen, deren Kopf sein eigener Hauptkontorist ist, der Mann, dem er vertraut hat wie einem Sohn.«
    »Das Vertrauen allein hat Vestens nicht genügt«, sagte Katoen und beschrieb, was Vestens zu seiner Tat getrieben hatte.
    »Joan Blaeu, seine alten Karten, die Kartenschnapper und dann noch dieses alte Manuskript und die darauf basierende Seekarte, das alles schwirrt mir im Kopf herum wie ein Bienenschwarm. Da wir viel Zeit haben, möchte ich Euch bitten, mir die ganze Geschichte zu erzählen.«
    »Das wird wohl das beste sein«, sagte Katoen und weihte seinen Gastgeber in die Zusammenhänge ein, wie er am Vortag schon Jan Dekkert im Damtänzer unterrichtet hatte. Schließlich war der Amtsrichter sein Vorgesetzter und hatte das Recht, ebenso gut informiert zu sein wie Katoens Büttel.
    Während er sprach, sah Katoen das wachsende Erstaunen im Gesicht seines Gegenübers, aber van der Zyl stellte nur die nötigsten Zwischenfragen. Als Katoen endlich fertig war, lehnte der Amtsrichter sich zurück und nahm einen großen Schluck von dem Burgunder. Er schloß die Augen, wohl nicht, um den Wein zu genießen,

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