Die Tulpe des Bösen
als unangemessen erschien.
»Dann will ich mich deutlicher ausdrücken«, fuhr van der Zyl ungerührt fort. »Ihr seid eine Spinne, die in ihrem eigenen Netz gefangen ist. Eure Nachforschungen haben Euch leider auf eine Spur geführt, die Euch zu einer Gefahr für mich und meine Vertrauten macht. Ich hege aber die Hoffnung, daß Ihr Euch entschließt, mit uns gemeinsam unser Ziel zu verfolgen, wenn Ihr erst einmal erfahren habt, worum es geht. Dann seid Ihr frei und könnt weiter Eure Netze spinnen, um in Amsterdam für Ordnung zu sorgen.«
»Und wenn ich mich mit Eurem Ziel, welches auch immer das sein mag, nicht anfreunden kann?«
»Das wäre natürlich bedauerlich«, sagte der Amtsrichter, und seine betrübte Miene wirkte zu Katoens Verwunderung nicht aufgesetzt. »Aber ich bin zuversichtlich, daß Ihr meine Auffassung teilen werdet, wenn ich Euch erst eingeweiht habe.«
Die Worte erhielten in dem Gewölbe einen unwirklichen Hall, der sich in Katoens Kopf noch verstärkte und zu einem schmerzhaften Dröhnen anschwoll. Das Betäubungsmittel, das van der Zyl ihm mit dem letzten Glas Wein verabreicht hatte, mußte sehr stark gewesen sein. Es kostete Katoen einige Anstrengung, sich nicht einfach dem Schmerz hinzugeben, sondern seine Gedanken zu ordnen. Aber das mußte er, war ihm doch klargeworden, daß sein Leben davon abhing.
»Ehrlich gesagt, verstehe ich Euch immer noch nicht, van der Zyl. Ihr selbst habt mich mit dem Fall betraut, und jetzt haltet Ihr mich gefangen, weil meine Nachforschungen Euch gefährlich sind, wie Ihr sagt. Warum habt Ihr mich überhaupt auf die Sache angesetzt?«
»Weil Ihr den Tulpenmörder finden solltet, das wißt Ihr doch. Es war nicht gelogen, als ich gesagt habe, mein eigenes Leben sei durch den Mörder bedroht.« Der Amtsrichter schüttelte den Kopf und sah enttäuscht aus, vielleicht auch traurig. »Aber Ihr habt nicht den Mörder aufgespürt, Jeremias, sondern mich.«
»Was soll das heißen, ich hätte Euch aufgespürt? Ihr habt mich doch in Euer Haus eingeladen.«
Van der Zyl lächelte. »Ist mein Haus nicht ein angenehmerer Ort als die Rote Mühle?«
Wieder hatte Katoen Mühe, den Faden nicht zu verlieren, die Kette des logischen Denkens nicht reißen zu lassen. Was der Amtsrichter da gesagt hatte, erlaubte nur einen Schluß. Und angesichts der Lage, in der Katoen sich befand, war dieser Schluß nicht einmal abwegig. In Anbetracht der Tatsache aber, daß er es mit dem ehrenwerten Amtsrichter von Amsterdam zu tun hatte, erschien ihm der Gedanke unglaublich.
Zögernd fragte er: »Soll das heißen, Ihr seid …«
»Ich bin derjenige, den Ihr morgen an der Roten Mühle treffen solltet«, bestätigte van der Zyl den ungeheuerlichen Verdacht. »Und wäre ich nicht selbst dagewesen, hättet Ihr mit einem meiner Vertrauten gesprochen. Nun seht Ihr sicher ein, daß Ihr gefährlich geworden seid für uns.«
»Ihr seid es, der Joan Blaeu erpreßt? Und Ihr seid verantwortlich für die Entführung seiner Angehörigen? Und dabei nennt Ihr den Mann Euren Freund!« Katoen machte keinen Hehl aus der Verachtung, die er für van der Zyl empfand.
»Ich hege immer noch freundschaftliche Gefühle für ihn, bewundere ihn und seinen Erfolg, aber leider ist es mir nicht gelungen, ihn von unseren Idealen zu überzeugen. Dann wäre vieles einfacher gewesen.«
»Ihr sprecht von dem Manuskript des Kreuzfahrers und der Karte, auf der man den Seeweg zur Tulpenküste findet.«
Katoen hatte noch nicht ganz ausgesprochen, als ihn die Erinnerung an sein Gespräch mit dem Amtsrichter überfiel. Er hatte verraten, wo er die Karte und das Manuskript aufbewahrte!
Van der Zyl mußte ihm angesehen haben, was in ihm vorging, denn er sagte: »Dank Euch haben wir endlich, wonach wir gesucht haben. Zwei meiner Freunde haben die Seekarte und das Buch aus Eurer Wohnung geholt.«
»Und niemand hat sie aufgehalten?«
»Im Gegenteil. Eure Hauswirtin hat sich gefreut, daß Ihr daran gedacht habt, ihr Grüße ausrichten zu lassen.«
Das bedeutete, daß der Witwe Gerritsen und Felix nichts geschehen war. Darüber war Katoen froh, aber an seinem Zorn auf sich selbst änderte es nichts. Was für ein Narr war er gewesen, das Versteck einfach so auszuplaudern! Er verfluchte seine Geschwätzigkeit, den roten Wein und seine Vertrauensseligkeit.
»Was wollt Ihr mit Eurer Beute anfangen, van der Zyl?«
»Muß ich Euch das wirklich sagen? Was fängt man schon mit einer Seekarte an?«
»Die Tulpe des Bösen!« Die
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