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Die Tulpe des Bösen

Die Tulpe des Bösen

Titel: Die Tulpe des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Kastner
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gar nicht durchführbar.
    Erleichtert sagte er: »Ihr könnt Euren Plan gar nicht verwirklichen, van der Zyl! Selbst wenn Eure Expedition zur Tulpenküste erfolgreich wäre, müßtet Ihr warten, bis aus den erbeuteten Zwiebeln Pflanzen werden, und für eine ganze Armee würdet Ihr auch eine ganze Menge Tulpen benötigen. Meint Ihr, die Franzosen und ihre Verbündeten würden so lange warten? Außerdem – wie wollt Ihr unsere Soldaten dazu bringen, sich der Tulpe des Bösen auszusetzen? Wollt Ihr ihnen befehlen, durch die Tulpenbeete zu marschieren?«
    Der Amtsrichter hörte sich Katoens Einwände mit großer Gelassenheit an und erwiderte schließlich: »Es ist nett von Euch, daß Ihr Euch so viele Gedanken über unseren Plan macht, aber das wäre nicht nötig. Keines der von Euch heraufbeschworenen Probleme existiert, denn es ist uns gelungen, aus der Tulpenzwiebel einen Extrakt zu gewinnen, der dieselbe Wirkung entfaltet wie die Pflanze selbst, nur hundertmal stärker. Wir werden dafür sorgen, daß er in das Bier unserer Soldaten gelangt, und sie werden es anstandslos trinken, so wie Ihr vor ein paar Stunden den Wein mit dem Schlafmittel getrunken habt.«
    Entsetzt erkannte Katoen, daß van der Zyl fest an das glaubte, was er von sich gab. Warum auch nicht? Wenn es den sogenannten Wohlmeinenden tatsächlich gelungen war, einen solchen Extrakt zu gewinnen, schien die Verwirklichung ihres Plans in greifbare Nähe gerückt. Was ihnen dazu noch fehlte, war eine ausreichende Zahl an Tulpenzwiebeln, aber dank der Seekarte und des alten Berichts, die ausgerechnet durch Katoens Leutseligkeit in ihre Hände gelangt waren, würde es ihnen möglich sein, die Tulpenküste anzusteuern und die dortige Festung zu überfallen, wie es mehr als dreißig Jahre zuvor schon einmal geschehen war. Vor seinem geistigen Auge entstand das Bild einer ganzen Armee, die vom Wahnsinn in den durch eigene Hand verursachten Tod getrieben wurde: Soldaten, die sich mit ihrer eigenen Pistole oder Muskete erschossen, die sich in ihren Degen oder Dolch stürzten, kompanie-, bataillons-, regimentsweise. Ein Heer von Leichen in einem Meer aus Blut.
    »Das könnt Ihr nicht wirklich wollen«, flüsterte er hilflos. »So viele Tote?«
    »Ihr Tod wird den Fortbestand unserer Nation sichern«, sagte van der Zyl ungerührt. »Wir tun, was wir tun müssen, zum Wohl der Allgemeinheit.«
    Das eben nahm Katoen ihm nicht ab. Schon als Catrijn ihm auf Volewijk ihre gemeinsame Zukunft ausgemalt hatte, war es ihm so vorgekommen, als habe sie hauptsächlich ihr eigenes Wohl im Sinn. Bei ihrem Bruder und seinen Mitverschwörern verhielt es sich gewiß nicht anders, von Ausnahmen vielleicht abgesehen.
    Es gab immer einige Verblendete, die sich aus falscher Überzeugung für wahnwitzige Ziele einspannen ließen, aber das Gros dieser gar nicht so Wohlmeinenden hatte wahrscheinlich auch den eigenen Aufstieg im Hinterkopf. Van der Zyl hatte es selbst angedeutet, als er davon sprach, daß er in der neuen Regierung eine wichtige Stellung einnehmen werde.
    Der Amtsrichter holte tief Luft, als hätte die lange Unterhaltung ihn erschöpft, und fragte: »Nun, wie steht es mit Euch, Jeremias? Kann ich auf Eure Hilfe zählen? Tretet Ihr unserer Bruderschaft bei?«
    Vielleicht hätte Katoen einfach einwilligen sollen, um sich Zeit zu verschaffen; vielleicht hätte sich ihm dann eine Gelegenheit geboten, der Gewalt dieses Wahnsinnigen zu entkommen. Aber schon der bloße Gedanke daran, mit ihm gemeinsame Sache zu machen, verursachte Katoen Übelkeit. Wahrscheinlich hätte van der Zyl als erfahrener Richter eine Lüge ohnehin durchschaut.
    Deshalb sagte Katoen: »Ich kann nur hoffen, daß irgend etwas an Eurem Plan scheitert. Vielleicht sinkt Euer Schiff, oder Eure Männer verlieren den Kampf gegen die Söldner an der Tulpenküste. Vielleicht stellt sich Euer Tulpenextrakt auch als gar nicht so wirksam heraus, wie Ihr behauptet.«
    »Was den letzten Punkt betrifft, da könnt Ihr Euch gern selbst überzeugen.«
    Van der Zyl rief etwas ins Dunkel des Gewölbes hinein, zwei Namen wohl, aber der Widerhall verzerrte seine Stimme, so daß Katoen ihn nicht verstand.
    Schritte und Stimmen waren zu hören, und bald traten drei Männer in den Lichtschein der Öllampen. Einem von ihnen hatte man, wie auch Katoen, die Hände auf den Rücken gefesselt. Es war ein alter Mann mit struppigem Bart und in abgerissenen Lumpen. Er trug nur einen Stiefel, um den anderen Fuß hatte er Lappen gewickelt. Es

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