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Die Tulpe des Bösen

Die Tulpe des Bösen

Titel: Die Tulpe des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Kastner
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war der Bettler, der Katoen ein paar Stunden zuvor auf dem Weg zum Damrak angesprochen hatte. Sein schiefes Gesicht war angeschwollen, offenbar hatte man ihn geschlagen.
    »Bringt den alten Schnorrer nur her!« rief van der Zyl den beiden anderen Männern zu, bevor er sich wieder an Katoen wandte. »Es war sein Pech, daß er ausgerechnet an Euch geraten ist. Vermutlich hätte er sich mit seinem versoffenen Kopf bald nicht mehr an Euch erinnert, aber meine Freunde wollten jedes Risiko vermeiden. Außerdem kommt der Alte uns jetzt ganz gelegen für eine kleine Demonstration.«
    Die Männer, die der Amtsrichter als seine Freunde bezeichnet hatte, kannte Katoen nicht. Beide machten nicht den Eindruck von Schlägern, eher sahen sie aus wie anständige Bürger, aber auf ihren Gesichtern lag eine Entschlossenheit, die Katoen verriet, daß mit ihnen nicht zu spaßen war. Der ältere war um die Vierzig und trug einen sauber gestutzten Bart um Mund und Kinn. Der jüngere war glatt rasiert und kaum älter als fünfundzwanzig.
    Der Bettler hatte etwas von einem gehetzten Tier, das, in die Enge getrieben, verzweifelt nach einer Fluchtmöglichkeit Ausschau hält. Seine Augen, von denen das rechte etwas höher saß als das linke, blickten hektisch hin und her, unfähig, sich auf einen Punkt zu konzentrieren. Bis er Katoen entdeckte. Er schien ihn wiederzuerkennen und öffnete seine geschwollenen Lippen.
    »Bitte, Mijnheer, helft mir!« flehte er jämmerlich.
    Jetzt war Katoen derjenige, der sich abwandte. Er konnte dem Mann nicht helfen, und er hielt dem verzweifelten Blick nicht länger stand.
    »Seht nur hin, Jeremias, jetzt wird es spannend«, sagte van der Zyl und zog aus einer Tasche seines Wamses eine kleine Phiole mit einer hellen, leicht trüben Flüssigkeit. Er schüttelte sie kräftig, die Flüssigkeit verlor ihre Trübung und nahm das Aussehen klaren Wassers an.
    Aber Katoen wußte, daß es kein Wasser war, sondern der Extrakt, den van der Zyl und seine Leute aus der Tulpe des Bösen gewonnen hatten. Was bedeutete, daß sie diese gefährliche Tulpe irgendwo züchteten, oder aber, daß sie im Besitz von Bluttulpenzwiebeln waren. Vielleicht beides. Jedoch schien die Anzahl der verfügbaren Exemplare gering zu sein, weshalb sie auf Nachschub von der Tulpenküste angewiesen waren.
    Van der Zyl zog den Korken aus der Phiole und wandte sich erneut an seine beiden Helfer. »Haltet ihn gut fest!« Er ging auf die drei Männer zu und lächelte den Bettler unvermittelt an. »Jetzt gibt es was zu trinken, mein Alter, und das auch noch kostenlos. Brauchst nur den Mund aufzumachen.«
    Der alte Mann ahnte, daß mit dem Inhalt der Phiole etwas nicht in Ordnung war, und preßte die Lippen zusammen. Van der Zyl packte ihn mit der Linken bei der Nase und drückte sie zu. Der Alte schnappte nach Luft, und den Moment nutzte van der Zyl, um ihm die Hälfte der Flüssigkeit in den Rachen zu gießen. Zwar hustete und prustete der Mann, aber das meiste hatte er wohl heruntergeschluckt.
    »Das sollte mehr als genügen«, sagte der Amtsrichter zufrieden, verkorkte die Phiole wieder und steckte sie zurück in sein Wams. »Laßt ihn ruhig los.«
    Die beiden Helfer folgten der Anweisung, und der Bettler stand schwankend da. Er war schwach auf den Beinen, was wohl an den Mißhandlungen lag, die er über sich hatte ergehen lassen müssen. Er stöhnte und schien etwas sagen zu wollen, aber über seine Lippen kamen nur undeutliche Laute, die entfernt an das Knurren eines Hundes erinnerten.
    Katoen unterdrückte den Wunsch, wegzuschauen. Er mußte wissen, ob der Tulpenextrakt die verheerende Wirkung besaß, die van der Zyl ihm zuschrieb.
    Der Bettler schwankte wie ein Schiff im Sturm, und Katoen rechnete jeden Augenblick damit, daß er zu Boden ging. Statt dessen stand der Mann plötzlich vollkommen still, und in die vorher ruhelosen Augen trat ein starrer, glasiger Ausdruck, fast wie der Blick eines Toten. Er öffnete die Lippen, soweit es ihm möglich war, legte den Kopf in den Nacken und stieß einen markerschütternden Schrei aus, den das Gewölbe als vielfaches Echo zurückwarf.
    Von einer Sekunde auf die andere wurde der Bettler von heftigen Zuckungen geschüttelt. Er versuchte mit aller Gewalt, seine Arme zu bewegen, aber die Stricke, mit denen sie gebunden waren, gaben nicht nach. Wild ruckte der Kopf des Alten in alle Richtungen, als halte er nach etwas Bestimmtem Ausschau. Und dann stürmte er los.
    Van der Zyl gab den beiden anderen Männern

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