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Die Tulpe des Bösen

Die Tulpe des Bösen

Titel: Die Tulpe des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Kastner
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gelungen war, die Karte der Tulpenküste und das alte Manuskript sicherzustellen. Ganz und gar nicht erfreut war sie jedoch über die Tatsache, daß der Magistrat Karte und Buch an Joan Blaeu zurückgegeben hatte.
    »Wäre Blaeu nicht selbst Mitglied des Magistrats, hätten die Ratsherren anders entschieden«, schimpfte sie. »Am besten wäre es gewesen, man hätte die Seekarte und das Manuskript verbrannt!«
    »Der Meinung bin ich auch, aber das zu entscheiden liegt weder bei Euch noch bei mir, Anna. Uns bleibt etwas anderes zu tun. Vielleicht möchtet Ihr dabeisein und Euer Ziehvater auch.«
    Als Katoen ihr von seinem Vorhaben erzählte, begannen ihre braunen Augen zu funkeln und zu schimmern wie flüssiges Gold.
    Drei Stunden später bewegte sich ein Zug von ungefähr zwanzig Reitern und fünf Planwagen auf der Straße von Amsterdam nach Utrecht in südlicher Richtung, bog an der Ruine der Roten Mühle nach links ab und folgte dem Weg, den Katoen am Mittwoch der vergangenen Woche genommen hatte, bis vor die hohe Mauer, die das Anwesen des Tulpenzüchters Willem van Dorp umschloß.
    Katoen, der einen kräftigen Braunen ritt, rief: »Den Rammbock abladen!«
    Jan Dekkert, auf einer Fuchsstute neben ihm, zeigte auf die Klingelschnur, die neben dem schweren Holzbohlentor hing. »Vielleicht sollten wir es erst einmal mit Klingeln versuchen, Baas. Das scheint mir die einfachere Methode zu sein.«
    Henk Bogaert, dessen kleiner Grauer unruhig tänzelte, warf ein: »Dann können wir ihn aber nicht mehr überrumpeln.«
    »Henk hat es erfaßt«, sagte Katoen. »Ich will da rein, bevor van Dorps Wachhunde, die zweibeinigen wie die vierbeinigen, überhaupt wissen, daß wir hier sind.«
    »Also rechnet Ihr mit Gegenwehr?« fragte Dekkert.
    »Die will ich durch unser überraschendes Eindringen gerade verhindern.« Katoen wandte sich an den gesamten Trupp, über den er das Kommando führte: »Sechs Männer an den Rammbock, alle anderen bleiben in den Wagen und im Sattel. Sobald das Tor offen ist, stürmen wir das Anwesen. Achtet auf meine Befehle!«
    Der Rammbock war ein verkürzter Baumstamm, auf dessen einem Ende eine Eisenspitze saß. Links und rechts waren jeweils drei Eisenbügel als Tragegriffe in das Holz eingelassen. Sechs kräftige Männer der Amsterdamer Stadtwache hoben das Gerät an. Katoen zeigte auf das Tor und senkte seinen Arm in einer schnellen Bewegung. Die Männer stürmten los und rammten ihr Werkzeug mit voller Wucht gegen das Tor. Ein dumpfes Krachen ertönte, aber sonst schien der Ansturm nichts bewirkt zu haben; lediglich ein paar Holzsplitter hatte die Eisenspitze von dem Tor abgekratzt.
    »Weiter!« befahl Katoen. »Immer weiter!«
    Noch zweimal donnerte der Rammbock gegen das Tor, dann löste es sich aus seiner Verriegelung und sprang auf. Die Männer legten die Ramme vor dem Zaun ab und stießen das Tor ganz auf.
    »Hinein!« rief Katoen und galoppierte als erster durch das Tor, gefolgt von seinen Bütteln, den berittenen Wachen und den Planwagen, auf denen Musketiere saßen.
    Katoen war abermals beeindruckt von der Größe der vielfarbigen Tulpenbeete, obwohl er wußte, daß der Eindruck auf einer Täuschung beruhte, die durch Willem van Dorps ausgeklügeltes Spiegelsystem erzeugt wurde. Zwei Männer kamen ihnen auf dem breiten Kiesweg, der zwischen den Beeten hindurch zum Haus führte, entgegen. Beide sahen verwegen aus, und sie waren sichtlich erbost darüber, daß Katoen und seine Begleiter hier einfach so eindrangen.
    Der eine war Ebbo, der Mann mit dem entstellten Gesicht. Er führte den struppigen, großen Hund an der Leine, der so laut kläffte, daß die Pferde scheuten. Das Gesicht des Mannes neben Ebbo war zwar unversehrt, aber er war deswegen nicht viel ansehnlicher. Er hatte die groben, hinterhältigen Züge eines Halunken, dem man lieber nicht allein in einer dunklen Gasse begegnete. Seine Hände umklammerten den Stiel einer Forke mit zwei langen Zinken, und er schien im Begriff, diese als Waffe einzusetzen.
    Katoen hob die rechte Hand, und sein Trupp hielt an. »Musketiere ausschwärmen und feuerbereit machen!«
    Kaum hatte er den Befehl erteilt, da sprangen auch schon vierundzwanzig Musketiere aus den Wagen und nahmen in einer Linie links und rechts des Kieswegs Aufstellung, ohne darauf zu achten, daß sie auf den Beeten herumliefen und mit ihren schweren Stiefeln die Tulpen zertrampelten. Außerdem stießen sie gegen die Drähte und lösten damit eine der Alarmglocken aus, deren

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