Die Tulpe des Bösen
Dorp. Ihr habt mich angelogen, und dafür gibt es nur eine vernünftige Erklärung. Ihr selbst seid es, der diese verfluchte Pflanze züchtet, vermutlich schon seit vielen Jahren. Ihr sorgt dafür, daß dieses Teufelsgewächs auch bei uns seinen Schrecken verbreiten kann. Zum Glück scheint die Zahl der Exemplare, die Ihr besitzt, nicht groß zu sein. Sonst hätten Eure Mitverschwörer es nicht nötig gehabt, ein Schiff zur Tulpenküste zu schicken.«
»Ihr seid ja völlig von Sinnen, Katoen, Ihr redet nur wirres Zeug. Ich habe Euch bei Eurem ersten Besuch nicht angelogen, und ich lüge Euch auch jetzt nicht an.«
»Ist das so?« fragte Katoen lauernd. »Wie kommt es dann, daß ich einen Zeugen für Eure Lüge habe?«
»Einen Zeugen? Den möchte ich sehen!«
»Das könnt Ihr haben«, sagte Katoen und lenkte seinen Braunen zu dem hintersten Planwagen. Dort stieg er ab und band das Pferd am Wagen an, bevor er Anna und Sybrandt Swalmius half, herauszuklettern.
Als er mit den beiden an die Spitze des Zuges zurückkehrte, stieß van Dorp wütend hervor: »Ihr wagt es, den Tulpenhasser hierherzubringen? Euch hat wohl nicht gereicht, was er beim letzten Mal mit meinen Blumen angestellt hat?«
»Sybrandt Swalmius kann bezeugen, daß Ihr sehr wohl Kenntnis von der Bluttulpe habt«, sagte Katoen ruhig und hoffte insgeheim, daß der alte Mann in diesem Augenblick klar genug war, um zu wiederholen, was er ihm einige Tage zuvor erzählt hatte.
Swalmius’ kleine Gestalt schien zu wachsen, als er sich gerade aufrichtete und den Tulpenzüchter unverwandt anschaute. »Ihr müßt Euch an die Tulpe des Bösen erinnern, van Dorp. Willem Blaeu hat uns von ihr erzählt und uns das alte Manuskript gezeigt, in dem ein französischer Kreuzfahrer von der Blume berichtet. Wir beide haben in dem Manuskript gelesen und uns sogar darüber unterhalten. Vorn in dem Buch gab es eine Zeichnung, auf der die Tulpe des Bösen abgebildet war, tiefschwarz mit blutroten Flecken.«
»Ja, war das so?« erwiderte van Dorp kühl. »Dann muß ich es vergessen haben.«
»Ihr und eine derart besondere Tulpe vergessen?« ereiferte Swalmius sich. »Unmöglich! Bedenkt doch, van Dorp, eine schwarze Tulpe! So etwas hat es noch nie gegeben. Ich weiß noch, wie Ihr damals sagtet, Ihr würdet Euer Seelenheil dafür geben, auch nur ein Exemplar dieser Tulpe zu besitzen.«
Katoen mischte sich ein: »Ging es Euch nur darum, van Dorp, um den Besitz dieser Tulpe? Habt Ihr Euch allein deshalb mit den Verschwörern eingelassen, damit sie Euch die Zwiebeln zur Zucht überlassen? Oder steckt mehr dahinter?«
»Ich dachte, meine Beweggründe seien nicht wichtig für Euch«, entgegnete der Tulpenzüchter.
»Ihr habt recht, das sind sie nicht. Beenden wir also das Geplänkel.« Katoen drehte sich zu seinen Männern um. »Durchkämmt das Grundstück nach weiteren Personen und reißt die Holzgestelle mit den Spiegeln ein!«
»Was?« keifte van Dorp. »Warum wollt Ihr meine Spiegel zerstören, Katoen?«
»Weil ich Eure Tulpenzucht einmal in ihrer eigentlichen Pracht bewundern möchte.«
Die berittenen Wachen schwärmten aus, und mit Tränen in den Augen mußte Willem van Dorp mit ansehen, wie die Hufe ihrer Pferde seine Beete durchpflügten, wie die Männer Seile um die Holzgestelle banden und einen Spiegel nach dem anderen zum Einsturz brachten, wie sein gepflegtes Anwesen innerhalb von Minuten verwüstet wurde. Zu Katoens Überraschung stießen seine Leute auf keine weiteren Diener oder Wachen mit Ausnahme der ältlichen Dienstmagd, die sich angsterfüllt in ihrer Küche zwischen Herd und Porzellanschrank verkrochen hatte.
Während die Spiegel einer nach dem anderen unter lautem Krachen zerbarsten, beobachtete Katoen fasziniert, wie sich van Dorps scheinbar so riesiges Anwesen auf das tatsächliche Maß, das allerdings noch immer beträchtlich war, verkleinerte. Aus sechs großen Beeten mit Tulpen, deren violette Blütenblätter von feinen gelben Linien durchbrochen waren, wurde binnen Sekunden ein einziges. Aber das, wonach er eigentlich Ausschau hielt, sah er nicht.
»Ihr werdet dafür büßen, Katoen«, flüsterte van Dorp mit bleichem Gesicht. »Dafür werdet Ihr büßen!«
Der alte Sybrandt Swalmius aber lebte sichtlich auf und unterstützte die Wachen mit anfeuernden Rufen. Schließlich wandte er sich an Katoen: »Laßt uns doch hinter das Haus gehen, Mijnheer Katoen, da gibt es wohl auch noch einiges zu sehen.«
Katoen lächelte. »Das ist eine gute
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