Die Tulpe des Bösen
Idee!«
Eilig umrundeten Swalmius, Anna und er das Haus und sahen, wie die Wachen auf der Rückseite mit dem Einreißen der Spiegel begannen. Auch hier verschwanden ganze Tulpenbeete, als die Illusion ihrer Existenz zerstört wurde. Aber es geschah auch etwas, das Katoens Puls schneller gehen ließ: Wo eben noch mehrere Beete mit rotblauen Blumen zu sehen gewesen waren, erschien auf einmal eines mit Tulpen, deren schwarze Blütenblätter mit blutroten Tropfen gezeichnet waren.
»Die Tulpe des Bösen!« entfuhr es Sybrandt Swalmius, und in seiner Stimme schwangen Staunen und Abscheu zugleich mit. »Sie ist es, ohne Zweifel!«
Anna wandte sich an Katoen: »Habt Ihr das gewußt, Jeremias?«
»Sagen wir, ich habe geahnt, daß Willem van Dorp sein ausgeklügeltes Spiegelsystem nicht nur benutzt, um die Anzahl seiner Tulpenbeete scheinbar zu vervielfachen, sondern auch, um ein bestimmtes Beet zu verbergen. Es ist durch die vorgegaukelten Beete vollkommen überlagert, geradezu unsichtbar gemacht worden.«
Anna sah ihn erstaunt an. »Ihr hört Euch an, als würdet Ihr van Dorp dafür bewundern.«
»Er ist zweifellos ein genialer Mann, aber leider auch ein durch seine unstillbare Tulpenleidenschaft Getriebener.«
Jan Dekkert, der dicht bei ihnen stand, sagte: »Seltsam, daß van Dorp und seinen Leuten nichts zugestoßen ist. Warum sind sie nicht unter den Einfluß dieser Tulpen geraten?«
»Er wird wissen, wie lange man sich in der Nähe des Beetes aufhalten darf, ohne den Verstand zu verlieren«, antwortete Katoen. »Auch Annas Vater Julien de Montfor und seine Gefährten haben das schließlich gewußt. Wir sollten übrigens ebenfalls zusehen, daß wir hier nicht zu lange herumstehen.«
Er winkte einen der Reiter heran und erteilte ihm ein paar Anweisungen. Anschließend ritt der Mann zurück zu den Planwagen und begegnete dabei van Dorp, der keuchend angelaufen kam und abrupt stehenblieb, als er sah, daß Katoen das Beet mit den Bluttulpen entdeckt hatte.
»Was sagt Ihr dazu?« fragte Katoen. »Könnt Ihr Euch noch immer nicht erinnern? Die Tulpe des Bösen wächst sogar auf Eurem Anwesen.«
Er erhielt keine Antwort.
Der kurz zuvor ausgesandte Reiter kehrte zurück, gefolgt von einem der Planwagen, der in der Nähe der Tulpen des Bösen stehenblieb. Hastig luden Katoens Männer ein paar kleine Fässer mit dem billigen Tran ab, der in Lampen als Brennstoff verwendet wurde.
Als sie das Beet mit dem Inhalt der Fässer übergossen, erwachte van Dorp aus seiner Erstarrung und schrie: »Nein, nein, tut das nicht!«
Aber sie taten es, und bald war die gesamte Fläche mit Tran getränkt. Das hätte vermutlich schon gereicht, damit die Tulpen des Bösen eingingen, aber darauf wollte Katoen sich nicht verlassen. Einer seiner Leute brachte ihm ein brennendes Holzscheit aus der Küche, und er selbst schleuderte es mitten zwischen die unheilvollen Tulpen.
Das Beet, ungefähr fünfzehn Klafter lang und fünf Klafter breit, verwandelte sich binnen eines Augenblicks in ein flammendes Inferno. Die Blumen vergingen, und eine Säule aus tiefschwarzem Rauch wuchs in den Himmel. Es war, als hauchten die Tulpen ihre böse Seele aus.
Anna ergriff Katoens Arm und drückte ihn, was er als sehr angenehm empfand. Vermutlich waren ihre Gedanken bei ihrem leiblichen Vater, der so lange vergebens nach den geraubten Tulpenzwiebeln gesucht hatte.
Die Zwiebeln! Plötzlich wußte Katoen, daß seine Arbeit noch nicht getan war.
Er wandte sich an Dekkert und sagte: »Unsere Männer sollen das Haus und alle Anbauten gründlich durchsuchen und jede Tulpenzwiebel, die sie finden, ins Feuer werfen. Jede einzelne, verstanden?«
»Ja, Baas.«
Wenn van Dorp die Tulpe des Bösen hier gezüchtet hatte, mußte er auch Zwiebeln von ihr besitzen. Diese würden ungleich schwerer zu erkennen sein als die Blume selbst. Darum hielt Katoen es für das beste, wenn van Dorp keine einzige Tulpenzwiebel blieb.
Der Tulpenzüchter weinte wie ein Kind, als er sah, wie seine Zuchtzwiebeln kistenweise ins Feuer geworfen wurden. Schluchzend wandte er sich an Katoen: »Ihr vernichtet meine Existenz!«
»Ihr verfügt gewiß über Geldreserven. Und wenn nicht, so kümmert es mich auch nicht. Ihr habt Euch das alles selbst zuzuschreiben. Außerdem wird Euch der Verkauf Eures Grundstücks wohl etwas Geld einbringen.«
»Verkauf? Wie meint Ihr das?«
»Der Magistrat ersucht Euch, Amsterdam und die Niederlande bis zum Monatsende zu verlassen und niemals
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