Die Tulpe des Bösen
nicht mehr reizen und du hättest dich tatsächlich in dieses Swalmius-Weib verguckt.«
»Mich reizt nur eine Frau, und das bist du.« Er fuhr fort, ihre Brüste zu liebkosen, bis er, schwer atmend, sagte: »Ich will dich, Catrijn. Ich will den Rest meines Lebens mit dir verbringen!«
Sie lächelte. »Das will ich auch, Jeremias. Laß uns darauf anstoßen!«
Schnell griff er nach den Gläsern, reichte ihr das eine und hob das andere hoch. »Auf uns, Catrijn, möge uns nichts mehr trennen, es sei denn der Tod!«
»So sei es!« sagte sie und nahm einen großen Schluck.
Katoen setzte sein Glas an die Lippen und leerte es in einem Zug. Der süße Likör hatte einen würzigen Beigeschmack, der seine Veredelung durch Kräuter verriet.
Auch Catrijn leerte ihr Glas und sah ihn abwartend an. »Wie schmeckt dir der Likör, Jeremias?«
»Sehr gut. Dir auch, hoffe ich. Ich nehme an, der Honig und die Kräuter überlagern den Beigeschmack des Bluttulpenextrakts – falls er überhaupt einen Eigengeschmack besitzt.«
»Wie … meinst du das?« fragte sie verstört.
»Ich habe Grund zu der Annahme, daß du an der Verschwörung deines Bruders beteiligt bist. Da ist …«
»Verschwörung? Wovon sprichst du?«
»Das weißt du wahrscheinlich besser als ich. Schließlich hast du mich heute abend in dein Haus eingeladen, um dich für Nicolaas’ Tod zu rächen. Das vermute ich jedenfalls. Schon auf Volewijk bist du mir seltsam vorgekommen mit deinen Zukunftsplänen für deinen Bruder und mich. Du warst so überzeugt davon, daß er bald eine höhere Stellung einnehmen würde. Was meinen Verdacht gegen dich erhärtet hat, ist der Tulpenextrakt selbst. Wo hatte Nicolaas ihn her? Irgendwann ist mir eingefallen, daß du selbst mir erzählt hast, du hättest bei deinem verstorbenen Mann das Apothekerhandwerk erlernt. Wem konnte Nicolaas bei der Herstellung des Tulpenextrakts also mehr vertrauen als seiner Schwester, mit der er auch sonst ein Herz und eine Seele war?«
Je länger Catrijn ihm zuhörte, desto heftiger ging ihr Atem, und ihre nackten Brüste hoben und senkten sich in einem schnellen Rhythmus. »Aber wenn du das glaubst, weshalb hast du dann …« Sie sprach nicht weiter, sondern starrte auf das leere Glas in seiner Hand.
»Das ist dein Glas, und dir habe ich meines gegeben. Zur Sicherheit. Falls ich mich aber täusche und dich zu Unrecht verdächtigt habe, darfst du jetzt von Herzen über mich lachen.« Er sah ihr in die Augen, aber in ihrem Blick lag weder Spott noch Verärgerung, sondern nur blankes Entsetzen. »Du lachst nicht? Wahrscheinlich überlegst du, wie lange es dauert, bis die Tulpe des Bösen deinen Verstand verwirrt. Wenn ich an den armen Bettler denke, dem dein Bruder den Extrakt eingeflößt hat, gehe ich davon aus, daß es jeden Moment soweit sein kann. Oder war die Dosis diesmal etwas kleiner, damit man den Extrakt nicht durchschmeckt? Was hättest du eigentlich erzählt, wenn dein Plan aufgegangen wäre? Daß der Amtsinspektor Jeremias Katoen sich in einem plötzlichen Anfall von Wahnsinn das Leben genommen hat? Bei dir wird die Erklärung glaubhafter sein: Nachdem du schon deinen Mann verloren hattest, war der Tod deines Bruders einfach zu viel für dich.«
Seine letzten Worte hörte sie wohl schon nicht mehr. Wie von Furien gehetzt, lief sie zur Küche und kehrte kurz darauf mit einem großen Fleischmesser zurück.
»Wenn ich sterben muß, nehme ich dich mit!« kreischte sie und wollte sich, das Messer mit beiden Händen zum Stoß erhoben, auf ihn stürzen.
Doch bevor sie ihn erreichte, erstarrte sie, und ihr Blick ging plötzlich durch ihn hindurch. Er wußte nicht, was sie hinter ihm sah. Für ihn blieb es unsichtbar. Er konnte nur das erkennen, was sich in ihren Augen spiegelte, und das war eine Mischung aus Entsetzen und Haß – Haß auf sich selbst.
Catrijn stieß das Messer tief in ihre Brust und drehte es herum, wobei sie einen langgezogenen Schrei ausstieß, der in ein Röcheln überging. Das Röcheln wurde leiser und erstarb, als sie zu Boden fiel. Sie lag auf dem Rücken, den Kopf zur Seite gedreht, und aus der eben noch so schönen, jetzt grausam zerfleischten Brust rann ihr Blut auf den Teppich.
Während Katoen auf die Tote starrte, empfand er kein Bedauern, nur neuerliche Bestürzung darüber, was die Tulpe des Bösen anzurichten vermochte. Für Catrijn war dies ein gerechtes Ende. Sie selbst hätte ohne weiteres zugesehen, wie Zehntausende von Menschen auf diese furchtbare Art
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