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Die Tulpe des Bösen

Die Tulpe des Bösen

Titel: Die Tulpe des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Kastner
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hat er gelogen. Ich mag ihn wirklich nicht, aber ich muß ihm zugestehen, daß er einer der größten Tulpenkenner ist. Selbstverständlich ist ihm die Bluttulpe ebenso bekannt wie mir.«
    »Warum hätte er mich anlügen sollen?« fragte Katoen.
    »Das weiß ich nicht.«
    »Und woher kennt Ihr diese Bluttulpe oder Tulpe des Bösen?«
    »Vor vielen Jahren, als ich noch ein allseits geschätzter Kaufmann war und in den besten Kreisen verkehrte, hat mir ein anderer Tulpenfreund ein altes Manuskript gezeigt, die Aufzeichnungen eines französischen Kreuzfahrers über seine Erlebnisse bei der Belagerung von Akkon und während seiner Rückkehr aus dem Heiligen Land. Darin schildert der Kreuzfahrer, wie sein Schiff durch einen Sturm an eine unbekannte Küste verschlagen wurde. Dort soll es große Beete mit Tulpen gegeben haben, Tulpen wie diese hier.« Swalmius wies auf die Dose mit dem Tulpenblatt in Katoens Hand.
    »Woher wißt Ihr so genau, daß es sich um genau diese Tulpensorte gehandelt hat?« warf Katoen ein.
    »Der Kreuzfahrer hat die Blume sehr genau beschrieben, und er hatte dem Manuskript auch eine Abbildung beigefügt. Für mich besteht kein Zweifel, daß jenes Blatt in Eurer Hand von der sagenumwobenen Tulpe des Bösen stammt.«
    »Das alte Manuskript scheint großen Eindruck auf Euch gemacht zu haben, Mijnheer Swalmius.«
    »Das hat es in der Tat.«
    »Warum?«
    »Als ich den Bericht las, habe ich zum ersten Mal gespürt, welch dunkle Seite die Tulpe, die ich bis dahin wegen ihrer Schönheit uneingeschränkt bewundert hatte, auch besitzt. Kurz darauf habe ich am eigenen Leib erfahren, daß die Tulpe, diese – wie ich damals noch dachte – wunderbarste und vielfältigste aller Blumen, einen Mann ins Unglück stürzen kann.«
    Swalmius griff nach seinem Glas und stürzte den Rest Likör darin hastig hinunter. Seine Augen wurden glasig, so als wollte sich sein Geist wieder in ferner Vergangenheit verlieren.
    Schnell fragte Katoen: »Was stand noch in dem Bericht des Kreuzfahrers?«
    »Etwas Schreckliches! Hätte ich es mir doch damals schon eine Warnung sein und mich zu der Einsicht bringen lassen, daß die Tulpe ein Werk des Teufels ist!«
    Swalmius legte eine Hand vor die Augen, als könne er den Blick in den schlimmen Teil seiner Vergangenheit nicht ertragen. Er schwankte leicht wie auf einem Schiff bei mittlerem Seegang.
    Anna faßte ihn am Arm und sah ihn besorgt an. »Du solltest dich hinlegen und etwas schlafen, Vater. Für heute hast du genug an alte Zeiten gedacht.«
    »Nein!« Der Alte stieß die Tochter von sich weg. »Unser Gast soll eine Antwort auf seine Frage erhalten.« Er sah Katoen an, und sein Blick schien wieder völlig klar. »Der Chronist berichtet, wie er und seine Schicksalsgefährten in der Nähe ihres beschädigten Schiffes auf eine große Festung stießen, eine osmanische Festung, doch bewacht wurde sie von Christen, die im Sold der Ungläubigen standen. Ihr müßt wissen, Mijnheer Katoen, daß dieser Bericht unvollständig war. Einige Seiten haben gefehlt, andere waren durch einen Wasserschaden unlesbar geworden. Aber so viel ging doch daraus hervor: Der Schatz, den die Söldner in der Festung bewachten, bestand nicht aus Silber, Gold oder Edelsteinen, sondern es waren jene Tulpen. Beete mit Tulpen wie derjenigen, zu der Euer Blütenblatt gehört. Eine Tulpe mit schwarzer Blüte muß doch vom Teufel stammen, oder?«
    »Wenn Ihr es sagt.«
    »Ja, sie muß vom Teufel stammen«, fuhr der Alte fort. »Tulpen mit nachtschwarzer Blüte! Wer sonst könnte so etwas ersinnen? Und sie stammt ohne Frage vom Teufel, denn unter ihrem Einfluß begannen die Kreuzfahrer, die sich gegen den Widerstand der Söldner in den Besitz einiger Bluttulpen gebracht hatten, sich selbst zu töten. Das ist das schreckliche Geheimnis dieser Tulpe: Wer Ihr zu nahe kommt, verliert den Verstand und ist nur noch von dem Wunsch besessen, seinem Leben ein Ende zu bereiten und seine Seele dem Teufel auszuliefern. So erging es den meisten Gestrandeten, sie starben von eigener Hand. Nur der Chronist und einige Gefährten konnten mit dem eilig wieder flottgemachten Schiff dem Verhängnis entkommen.« Er atmete schwer, als hätten ihn seine Erläuterungen über Gebühr angestrengt. »Jetzt kennt Ihr das Geheimnis Eures Blütenblattes, das Geheimnis der Tulpe des Bösen.«
    »Das ergibt keinen Sinn«, sagte Katoen kopfschüttelnd. »Weder Jacob van Rosven noch Balthasar de Koning ist von eigener Hand gestorben. Warum also

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