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Die Tulpe des Bösen

Die Tulpe des Bösen

Titel: Die Tulpe des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Kastner
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betätigte: dreimal kurz hintereinander und nach einer kurzen Pause noch zweimal. Das gleiche Klopfzeichen hatten auch die anderen benutzt.
    Gespannt beobachteten die drei, wie die Tür geöffnet wurden, aber sie wurden aufs neue enttäuscht. Abermals war es nicht Jaepke Dircks, der den späten Besucher einließ. Zu erkennen war nur ein kleiner, aber kräftiger Mann mit O-Beinen, der Gehilfe des Sargmachers, Stoffel. Er wechselte leise ein paar Worte mit dem Neuankömmling, ließ ihn eintreten und schloß die Tür hinter ihm.
    »Noch immer nichts von diesem Dircks zu sehen«, stellte Kampen überflüssigerweise fest. »Was tun wir jetzt, Baas?«
    Fast wäre es Katoen in diesem Augenblick lieber gewesen, nicht der Baas – der Boß – zu sein, denn es fiel ihm nicht leicht, eine Entscheidung zu treffen. Wenn sie in die Sargmacherei eindrangen und Dircks nicht dort antrafen, wäre der Kuppler gewarnt und würde ihnen nicht so leicht wieder eine Gelegenheit bieten, ihn auf frischer Tat zu ertappen. Griffen sie jetzt nicht zu, war ebenso fraglich, wann sie ihn das nächste Mal erwischen konnten.
    Die Zeit drängte, nicht nur in bezug auf die gestohlenen Karten. Viel größer war Katoens Sorge, daß der Tulpenmörder erneut zuschlagen könnte. Und falls er es am nächsten Montag zu tun gedachte, blieben ihnen gerade noch drei Tage Zeit, ihn zu fassen, vier, wenn man den Montag mitzählte.
    Freilich bestand die Möglichkeit, daß Stoffel, die Freier und die Nachtläuferinnen den Kuppler durch ihre Aussagen belasteten, aber um das zu erreichen, hätte Katoen aus dem, was sich in der Sargmacherei zutrug, einen offiziellen Vorgang machen müssen. Das lag nicht in seiner Absicht, weshalb er auch darauf verzichtet hatte, die Nachtwache zur Unterstützung anzufordern. Im Gegensatz zu der Falle, die seine Büttel und er Dircks am vergangenen Montagabend im Labyrinth gestellt hatten, waren sie dieses Mal auf sich allein gestellt.
    »Ach, was soll’s«, knurrte er schließlich. »Wir gehen da jetzt rein! Überprüft eure Waffen!«
    Sie trugen jeder eine doppelläufige Pistole bei sich, und keine Minute später standen sie mit schußbereiten Waffen vor dem Eingang der Sargmacherei. Katoen griff mit der Linken nach dem eisernen Türklopfer und ließ ihn dreimal kurz hintereinander gegen das Holz schlagen, wartete ein paar Sekunden und klopfte dann noch zweimal. Von drinnen war nichts zu hören. Der schwache Lichtschein, der zuvor durch die Fenster nach draußen gefallen war, war erloschen.
    »Haben die etwa Lunte gerochen?« zischte Kampen.
    Katoen bedeutete ihm zu schweigen, denn er hatte jetzt doch etwas gehört. Ein leises Quietschen, wie man es beim Öffnen oder Schließen einer Tür zuweilen vernimmt, dann lauter werdende Schritte. Ein Schlüssel wurde im Schloß herumgedreht, und die Haustür ging einen Spaltbreit auf.
    Vor ihnen stand Stoffel, dessen mächtiger Kopf mit dem wirren roten Haarschopf im Verhältnis zu seinem Körper viel zu groß wirkte. Der Anblick von gleich drei Freiern sorgte für einen erstaunten Ausdruck auf dem mit Sommersprossen gesprenkelten Gesicht. Als der Gehilfe des Sargmachers die Schußwaffen erblickte und begriff, daß die drei keineswegs Freier waren, sondern unzweifelhaft andere Absichten verfolgten, gesellte sich, wie seine geweiteten Augen verrieten, zu seinem Erstaunen nackte Angst.
    »Schön ruhig bleiben«, ermahnte Katoen ihn flüsternd und drückte Stoffel den Doppellauf seiner Pistole gegen die Stirn. »Wenn du Lärm schlägst, verteile ich den Inhalt deines Kopfes über halb Amsterdam. Verstanden?«
    Stoffel, der kaum zu atmen wagte, nickte vorsichtig.
    »Ist Jaepke Dircks da drin?«
    Wieder nickte der Rothaarige nur ganz kurz.
    »Dann führ uns zu ihm, aber hübsch leise! Denk immer daran, daß sechs mit Blei gefüllte Läufe auf dich gerichtet sind!«
    Stoffel machte ganz langsam kehrt und ging, gefolgt von den drei unerwarteten Besuchern, durch eine Diele. Vor einer Tür, hinter der undeutliche Worte und ein nur allzu deutliches Stöhnen ertönten, blieb er stehen.
    »Aufmachen und reingehen!« befahl Katoen. »Und immer die Ruhe bewahren!«
    Stoffel öffnete die Tür, die in den Angeln quietschte, und trat in einen großen Raum, der von zwei von der Decke herabhängenden Öllampen beleuchtet wurde. Das Licht war schummrig, dem angemessen, was Katoen und seine Begleiter zu Gesicht bekamen. Eine ganze Anzahl von Särgen stand in dem Raum. Drei waren nach vorn gezogen und offen. In

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