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Die Tulpe des Bösen

Die Tulpe des Bösen

Titel: Die Tulpe des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Kastner
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schnelle Stoß mit dem Degen, den der andere ausführte, ging ins Leere, weil auch der Mörder nicht mit van Rosvens Sturz gerechnet hatte. Von seinem eigenen Schwung mitgerissen, geriet der Fremde selbst ins Straucheln und konnte sich nur mit Mühe aufrecht halten.
    Van Rosven nutzte die Zeit, um aufzuspringen und den Weg zurückzulaufen, den er gekommen war. Er wollte nach der Rassel greifen, aber sie war nicht mehr da; er mußte sie bei dem Sturz verloren haben. Van Rosven holte tief Luft und rief um Hilfe.
    »… fünf, sechs, sieben«, murmelte Joris Kampen lustlos und hielt auf einmal inne.
    Noch immer auf seine ausgestreckten Finger starrend, lauschte er in den Nebel hinein. Hatte er da nicht etwas gehört? Es hätte eine menschliche Stimme sein können, aber ebensogut auch das Quieken einer Ratte. Dann hörte er es erneut, und diesmal klang es eindeutig wie die Stimme eines Menschen. War das nicht sogar ein Hilferuf?
    Kampens Linke tastete nach der Holzrassel, die an seiner Seite hing und mit der er die Wachen in seiner näheren Umgebung verständigen sollte, sobald ihm etwas Verdächtiges unterkam. Aber er war sich seiner Sache nicht sicher. Wenn er die Rassel jetzt grundlos benutzte, verscheuchte er den Mörder womöglich. Dann war es seine Schuld, wenn das ganze Unternehmen fehlschlug. Dabei brauchte er doch gerade jetzt einen Erfolg! Er griff nach der Doppelpistole und beschloß, selbst herauszufinden, was da los war, bevor er Alarm schlug.
    Er rannte in die Richtung, aus der die gellenden Laute kamen – und wäre fast mit einem anderen Mann zusammengestoßen, der ihm in großer Hast entgegenkam. Das war der Mann, der die Rufe ausstieß, und es waren tatsächlich Hilferufe!
    Kampen hätte nicht damit gerechnet, daß er dem Geschehen so nahe war. Dieser verdammte Nebel, er täuschte einen, wo er nur konnte!
    »Wer seid Ihr?« fragte er. »Warum schreit Ihr so?«
    Aber statt zu antworten, starrte der andere nur auf die Pistole in Kampens Hand.
    »Ich bin Büttel der Stadt Amsterdam«, erklärte Kampen. »Jetzt sagt mir endlich, was los ist!«
    Der andere Mann, schlank, jung und gutgekleidet, zeigte hinter sich. »Er ist hinter mir her, der Mörder!«
    »Der Tulpenmörder? Seid Ihr sicher?«
    Der andere zeigte auf die blutende Wunde an seiner linken Schläfe. »Er wollte mich umbringen, seht Ihr das nicht? Er hat mir hier aufgelauert, weil er mich töten will, so wie vor zwei Wochen meinen Vater …« Er keuchte, war völlig außer Atem.
    »Wie Euren Vater?« wiederholte Kampen. »Das heißt ja … dann seid Ihr …«
    »Paulus van Rosven.«
    Als er den Namen hörte, wußte Kampen, daß der Mann vor ihm in Gefahr war. Er konnte kaum fassen, daß sein Wunsch in Erfüllung gehen sollte. Bald würde er, Joris Kampen, der Held von ganz Amsterdam sein!
    »Haltet Euch hinter mir, Mijnheer van Rosven. Ich werde Euch beschützen und Verstärkung herbeirufen.«
    Er wollte die Rassel hervorholen, aber sie hatte sich in seinem Umhang verhakt. Er war so damit beschäftigt, sie von dem Stoff zu lösen, daß er die Gestalt, die aus dem Dunst vor ihm auftauchte, nicht bemerkte.
    Erst ein Aufschrei van Rosvens alarmierte ihn, aber da war es bereits zu spät. Bevor Kampen auch nur daran denken konnte, die Hand mit der Pistole zu erheben, fuhr ihm die Klinge eines Degens durch die Brust wie ein Messer durch weiche Butter. Während er zu Boden sackte, dachte er, daß nun doch kein Held aus ihm werden würde.
    Mit geweiteten Augen sah Paulus van Rosven, wie der Büttel in sich zusammensackte, ohne einen Schrei oder ein Stöhnen, einfach so.
    Noch bevor der Mann am Boden lag, hatte der Angreifer seinen Degen aus dessen Brust wieder herausgezogen. Van Rosven war klar, daß der Mörder die Waffe nun gegen ihn richten würde.
    Aber er lief nicht weg, nicht mehr. Er hatte den Entschluß gefaßt, um sein Leben zu kämpfen und, wenn Gott mit ihm war, seinen Vater zu rächen. Daß Jesus, Gottes Sohn, nicht Rache gepredigt hatte, sondern Nächstenliebe, spielte in diesem Augenblick keine Rolle für ihn. Er spürte in sich einen übermächtigen Zorn, der alles andere in den Hintergrund drängte.
    Bevor der Mörder den Degen gegen ihn richten konnte, hatte van Rosven sich auf ihn geworfen und riß ihn zu Boden. Ineinander verkrallt, rollten sie über das kalte, feuchte Pflaster, jeder bestrebt, die Oberhand zu gewinnen. Van Rosven achtete darauf, daß der Mörder seine rechte Hand nicht freibekam, die Hand mit dem Degen; seine Linke

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