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Die Tulpe des Bösen

Die Tulpe des Bösen

Titel: Die Tulpe des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Kastner
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mit dem Kartenmacher Blaeu konnte. Das war natürlich ein ganz großer Fisch, den Katoen da an der Angel hatte. So ehrgeizig war Kampen gar nicht. Aber ein paar Gulden extra im Monat konnte er schon gebrauchen. Er beschloß, den Baas einfach mal zu fragen. Der wußte sicher was. Vielleicht empfahl er ihn sogar dem Kartenmacher.
    Ein Geräusch ließ ihn zusammenfahren, und er griff nach der geladenen Doppelpistole, die er neben sich auf eine andere Kiste gelegt hatte. Das schwere, kalte Metall in seinen Händen vermittelte ihm ein Gefühl von Sicherheit. Wer immer der Tulpenmörder auch war, er war ein Mensch und, wenn Kampen beide Läufe seiner Waffe abfeuerte, im Nu ein sehr toter Mensch.
    Er spähte auf die Straße vor ihm, konnte aber nicht erkennen, woher das Geräusch stammte. Es war nur ein kurzes Klappern gewesen, so als habe jemand ein Tor zugeschlagen.
    Zwar standen auch hier auf Marken schon die ersten Straßenlampen, aber ihre Anzahl war noch verschwindend gering; sie waren in so großen Abständen aufgestellt, daß sie auch bei besserem Wetter die Straße nicht flächendeckend hätten erhellen können. Schon die Wände der Gebäude auf der gegenüberliegenden Straßenseite begannen zu verschwimmen, soweit sie nicht unmittelbar gegenüber von Kampens Versteck lagen. Um ihn her breitete sich eine trübe, graue Suppe aus, und er kam sich vor wie ein Stück Gemüse, das verloren darin schwamm.
    Es gab schlichtweg keinen Hinweis darauf, was das Geräusch verursacht haben konnte. Ein Tier vielleicht, wahrscheinlich eine der Ratten, die sich so zahlreich am Hafen herumtrieben.
    Jedenfalls war es nicht der Tulpenmörder gewesen, ganz sicher nicht. Nichts würde in dieser Nacht geschehen, rein gar nichts.
    Fast wünschte er sich, der Tulpenmörder möge gleichsam vor seinen Augen zuschlagen. Dann würde er ihn festnehmen oder erschießen und zum Helden der ganzen Stadt aufsteigen. Vielleicht würde man ihm eine Belohnung zukommen lassen, und ganz sicher würde er dann keine Schwierigkeiten haben, sich ein gutes Zubrot zu verdienen.
    Gähnend legte er die Pistole zurück auf die Kiste und betrachtete seine Hände mit den ausgestreckten Fingern.
    »Eins«, zählte er langsam, »zwei, drei, vier …«
    Nachdem der Viehhändler Johann de Mos, der am östlichen Ende der Jodenbreestraat wohnte, sich verabschiedet hatte, waren sie nur noch zu zweit. An der Seite des Seilermeisters Philipp Schuiten überschritt Paulus van Rosven die Brücke zur Insel Marken und war, als sie die Mitte der Brücke erreicht hatten, plötzlich froh, nicht ganz allein unterwegs zu sein. Nicht an diesem Abend, dem Montagabend, genau zwei Wochen nach dem Mord an seinem Vater. Hier auf der Brücke war der Nebel so dicht, daß von der Welt ringsherum nichts mehr dazusein schien. Es war, als gebe es Amsterdam, die große Stadt mit ihren Häusern, Kirchen und Türmen, nur noch in der Erinnerung. Wie unter einem inneren Zwang beschleunigte van Rosven seine Schritte.
    »Habt Ihr es eilig, Paulus?« fragte der Mann neben ihm.
    Philipp Schuiten hätte sein Vater sein können. Das Haar und der volle Bart, der ein rundes, gutmütiges Gesicht umrahmte, zeigten erste Anzeichen von Grau. Eher von kleinem Wuchs, war er kräftig gebaut und wirkte robust, wie nur Männer es tun, die ein Leben lang hart gearbeitet haben. Im Fall von Philipp Schuiten hatte diese harte Arbeit sich ausgezahlt, seine Seilerei auf Marken zählte zu den drei größten der Stadt, und er hatte einen Sitz im Magistrat.
    In seiner Werkstatt entstand das Tauwerk für die Schiffe, die auf van Rosvens Werft gebaut wurden, und die langjährige Zusammenarbeit hatte den Seilermeister und Jacob van Rosven zu Freunden werden lassen. Schon den ganzen Abend über hatte Paulus van Rosven gespürt, daß Schuiten auch ihm ein – väterlicher – Freund sein wollte, und dafür war er sehr dankbar.
    »Es ist schon spät, und meine Leute sorgen sich bestimmt, wo ich bleibe. Besonders angesichts …«
    Er brauchte es nicht auszusprechen, Schuiten verstand ihn und nickte. »Ihr tut recht daran, an Eure Familie zu denken, mein Junge. Die Familie und das Geschäft, das sind die Dinge, um die ein braver Mann sich zu kümmern hat, die ihn ausmachen und sein Dasein rechtfertigen, vor den Menschen und vor Gott. Euer Vater hat ebenso gedacht, und ich weiß, daß Ihr ihm ein würdiger Nachfolger sein werdet.« Der Seilermeister lächelte. »Außerdem habt Ihr eine sehr hübsche Frau, wenn ich mich recht entsinne.

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