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Die Tunnel der Seele

Die Tunnel der Seele

Titel: Die Tunnel der Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Nicholson
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lebendig. Beides war eigentlich dasselbe, wenn man es aus der Nähe betrachtete.
    Aus einer Ritze in der Rundholzwand zog sie ein kleines Kästchen aus Zedernholz hervor. Der Fetzen Stoff darin war im Laufe der Jahre grau geworden, durchtränkt von der Seele seines ehemaligen Trägers. Sylva hielt den Flicken an ihre Lippen, flüsterte »Weiche Frost«, küsste den Stoff und gab ihn zum Pulver hinzu.
    Das Scheuern des Steines am Stoff ließ die Fäden ausfransen, Asche zu Asche, Staub zu Staub, Frost zu Feuer.

49. KAPITEL
    R oth leckte sich die Lippen. Das hatte sich gelohnt. Das Vögelchen war ihm ins Netz gegangen, hatte sich von seiner Masche einfangen lassen. Hatte seinen ausgelegten Köder verschlungen wie einen Wurm. Er malte sich schon genau aus, was Lilith mit ihm anstellen würde, wenn sie in ihrem Zimmer angekommen waren.
    Sie hatte ihn durch eine kleine Tür in der Speisekammer geführt, die ihm vorher noch gar nicht aufgefallen war. Ein schäbiger Ort, an dem sich sonst nur die Bediensteten aufhielten. Wenn man es mal genau betrachtete, waren die Hausangestellten immer präsent, so als ob sie keinen Schlaf bräuchten. Einmal hatte er früh um drei eines der Dienstmädchen gesehen, wie es das Feuer im Foyer entfachte. Stunde um Stunde sorgte das Personal dafür, dass der Vorrat an Feuerholz niemals ausging.
    Roth folgte Lilith eine schmale Treppe hinunter in einen Raum des Kellers, der durch dicke Wände von dem Bereich abgetrennt war, in dem Mason arbeitete und Roth seine Negative entwickelt hatte. Die Tür über ihnen fiel zu und sie standen im Stockdunkeln. Sie hatten keine Laterne mitgenommen, und diese völlige Finsternis erregte Roth nur noch mehr, brachte seine Haut in freudiger Erwartung zum Prickeln. Oder war es diese frostige Totenstille, dieses Gefühl des Eingesperrtseins, das sein Herz höher schlagen ließ?
    Sie war leichte Beute, begierig und willig. Das war schon mal gut. Die meisten Frauen verhielten sich schließlich, als ob Sex mitten am Tag ein Affront gegenüber den Göttern wäre. Lilith hingegen hatte noch nicht einmal ihr erstes Glas Wein geleert, als sie sich schon an Roth anlehnte, ihn selig anlächelte und sich in diesen verruchten grauen Augen verlor, denen keine Frau widerstehen konnte.
    Mit einer Hand an der Wand tastete er sich nach vorn, immer darauf bedacht, nur nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Mit der anderen Hand berührte er Liliths Haar, ließ sie nach unten gleiten zu der Stelle, wo normalerweise ihre Schultern sein müssten. Aber sie war ihm immer einige Schritte voraus. Seit er ihr seinen Vorschlag unterbreitet hatte, hatte sie kein Wort mehr gesagt. Hatte stattdessen nur unterwürfig gelächelt und mit dem Kopf in Richtung der geheimen Tür gedeutet. Sie hatte Lust auf Spielchen, definitiv.
    Roth trat von den knarrenden Holzdielen auf einen harten, flachen Untergrund. Dann hörte er, wie jemand ein Streichholz anzündete, sah eine Flamme aufflackern, die Liliths Gesicht hell erleuchtete. Aber wie konnte das sein? Sie hatte doch gerade noch neben ihm gestanden. Ihr schwarzes Kleid machte ihren Körper unsichtbar, und für einen kurzen Moment schien es so, als ob ihr Gesicht und ihre Hände frei in der Luft schwebten. Er ließ ihr Haar, oder was immer er da gerade berührt hatte, fallen und sprang nach hinten, als sie eine Kerze anzündete.
    »Wir sollten ein Feuer machen«, flüsterte sie mit heiserer Stimme. Roth sah, dass seine Hand voller Spinnweben war. Er schrie auf und wischte sich die Hand an der Hose ab.
    Sie kicherte. »Haben Sie sich erschrocken, Mr. Roth?«
    »Ich hasse Spinnen, weißt du nicht mehr? Seit ich neun Jahre alt bin. Damals ist mir eins von diesen Viechern in den Mund gekrabbelt, als ich gerade unter die Veranda kriechen wollte. Ich hatte danach eine Woche lang Albträume.«
    »Sie Armer! Bei mir sind Sie sicher.«
    »Ich hoffe, nicht zu sicher, hm? Ich liebe die Gefahr und du siehst wirklich verlockend gefährlich aus, Kleines.«
    Im Flackern der Kerze konnte er die schummrigen Ecken des Raumes erahnen. Er fragte sich, ob in den Schatten wohl Spinnen lauerten. Eine im Umkreis von zwei Metern sagt man. Solange sie zwei Meter
Abstand
zu ihm hielten. Er bemerkte eine kleine Nische, in der eine weitere Kerze flackerte. Wie hatte sie die denn angezündet? Erst dachte er, der Raum führte vielleicht in einen weiteren, sah dann aber Liliths Rücken und sein eigenes Gesicht. Vor ihm hing ein Spiegel, so groß wie das Bett darunter. So ein

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