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Die Tunnel der Seele

Die Tunnel der Seele

Titel: Die Tunnel der Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Nicholson
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entschied sich dann aber doch zu warten. Lilith legte ihre Hände auf seine Schultern, umklammerte seinen Nacken und zog sein Gesicht zu sich heran. Ach was soll’s, warum sollte er sie länger leiden lassen? Aus irgendeinem Grund machte ihn ihre fehlende Körperwärme total an. Wahrscheinlich war es einfach die eisige, unterkühlte Atmosphäre hier unten, die sie frieren ließ. Er nahm es als persönliche Herausforderung an. Er würde ihr Feuer schon noch entfachen.
    Er presste seine Lippen auf die ihren, spürte ihre Zunge, die verunsichert auf seine traf. Dafür, dass sie vorhin so ein Tempo vorgelegt hatte, war sie jetzt ganz schön zurückhaltend. Fast so, als ob sie noch nie zuvor geküsst hatte. Er zögerte, denn in ihrem Mund fühlte es sich irgendwie komisch an.
    Roth legte sich auf Lilith, ihre Körper verschmolzen durch die Kleidung hindurch. Ihre Brüste pressten sich an ihn. Das gefiel ihm, aber er achtete darauf, sich davon nicht zu sehr beeinflussen zu lassen. Sanft und langsam hieß die Devise, selbst wenn in seinem Körper ein Sturm wütete. Was stimmte nicht mit ihrem Mund?
    Er fühlte sich wie der Rest ihres Körpers an, ein bisschen zu kalt. Wie hoch war die Temperatur unter der Erde noch mal? Konstante zehn bis fünfzehn Grad oder so? Aber ihr Mund müsste doch warm sein und nicht so trocken. Es war fast, als ob er seine Zunge in die Tasche eines kratzigen Wollmantels schob. Er hoffte nur, dass sie nicht überall so trocken war.
    Lilith stöhnte in seinen Mund herein. Hatte sie irgendwelche Körpersäfte?
    Sie krümmte sich unter ihm und er vergaß vorerst, wie seltsam sich ihre Zunge angefühlt hatte. Er tastete nach ihren Schultern, wollte ihr das Kleid herunterreißen, damit er im Kerzenlicht mehr von ihrem Körper sehen konnte.
    »Ja«, keuchte sie.
    »Ja«, rief eine weitere Stimme.
    Was zum Teufel?
    Wahrscheinlich nur ein Echo. Eine akustische Täuschung.
    Aber der Ton prallte nicht zwischen den Wänden hin und her, sondern wurde von der Totenstille des Raumes verschlungen.
    Roth nahm eine huschende Bewegung wahr, die seine Erregung jäh abflauen ließ. Dann erinnerte er sich wieder an den Spiegel und schaute nach oben. Wenn er sich und diese hübsche Dirne unter ihm bei ihrem gemeinsamen Treiben beobachten würde, brächte das das Blut in seinen Lenden vielleicht wieder in Wallung.
    Im Spiegel wurde sein Gesicht immer größer, als ob er es durch ein Zoomobjektiv betrachtete. Was stimmte hier nicht?
    Es war nur der Bruchteil einer Sekunde, aber ausreichend Zeit, um zu realisieren, dass der Spiegel ihm entgegen fiel, im Zeitlupentempo auf das Bett herabstürzte. Und diese gewaltige Scheibe Glas war mit Sicherheit ein paar hundert Kilo schwer. Wenn sie zersplittern würde—
    Wenn sie zersplittern würde, hätte er ein paar Kratzer mehr.
    Ein paar wirklich böse Kratzer.
    Aber er konnte sich nicht bewegen. Lilith hatte ihre Beine um seine Hüften geschlugen, und verdammt noch mal, sie hatte ganz schön viel Kraft. Unter Ächzen versuchte er, sich aus ihren Fängen zu befreien. Aber sie hatte auf einmal so viele Arme, viel zu viele Arme, die ihn packten und umschlungen. Als er in den Spiegel blickte, sah er nicht mehr das Antlitz von Lilith, sondern eine schwarze Spinne, die ihm plump und fett auflauerte. Die ihre Giftklauen nach ihm ausstreckte, nach seinen Lippen tastete, um ihm einen Seelenkuss aufzuzwingen.
    Die
Schwarze Witwe
schoss es ihm durch den Kopf.
Die Schwarze Witwe war bekannt dafür, ihre Spielgefährten zu verschlingen.
    Als er nach oben schaute, war sein Spiegelbild verschwommen, seine Augen weit aufgerissen, sein Mund ein schwarzer Tunnel, sein Körper umklammert von Liliths acht Armen, sein Fleisch durchbohrt von den Widerhaken ihrer vorderen Gliedmaßen.
    Aber bevor der Schmerz ihn umspinnen konnten, fiel der Spiegel auf ihn herab, und kurz bevor das Glas zerbrach, sah er nicht mehr sein Gesicht im Spiegel, sondern das von Korban.
    Die silbern glänzenden Scherben schnitten in sein Fleisch, Lilith verspritzte ihr Gift, und vor ihm im langen, finsteren Tunnel erschien Ephram Korban, der ihn anlächelte, in der Hand einen Löffel, der gekrümmt war wie die hektisch krabbelnden Beine einer Spinne.
    »Zeit für eine Tasse Tee, Mr. Roth«, sagte Korban.

50. KAPITEL
    »W ie kommen Sie mit Ihrer Statue voran?« Miss Mamie hoffte, dass man ihr ihre Ungeduld nicht anmerkte, denn für gewöhnlich, wenn sie nicht gerade der entwaffnende Blick von Ephram traf, hielt sie alle

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