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Die Ueberbuchte

Die Ueberbuchte

Titel: Die Ueberbuchte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Rawolle
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wo die Fischerkähne vertäut am Ufer lagen, drang das laute Kreischen der geschäftigen Möwen nur gedämpft herüber. Anscheinend hatte der Wind weit draußen auf See wieder zugenommen, denn die Wellen peitschten mit Getöse gegen das befestigte Ufer. Was auch sie zum schleunigsten Zurückweichen veranlasste.
    Gebannt schaute sie den tobenden Wassermassen zu, denn sie mochte es, das aufgebrachte, wild um sich schlagende Meer. Es zeugte von einer schier unendlichen Kraft, einer total entfesselnden, elementaren Naturgewalt – etwas, dass Ehrfurcht und Bewunderung abverlangte. Hier zeigte es sich in seiner ganzen Großartigkeit, wie im wechselvollen Spiel zwischen Licht und Schatten, Sonne und Mond, Luft und Wasser, alles Leben zu einer gigantischen Einheit verschmolz. Nur der Mensch, er versucht sich dieser gewaltigen Einheit durch die gnadenlose Technisierung zu entziehen.
    Doch plötzlich nahm eine kräftige Windböe ihr fast den Atem. Es war nicht zu übersehen, das Wetter verschlechterte sich zusehends. Da zuckten auch schon aus den gefährlich dunklen Wolken die ersten Blitze auf. So schnell sie konnte, sich heftig gegen den Wind stemmend, lief sie den Weg zurück. Wo Dagmar am Ende des selbigen, bereits besorgt nach ihr Ausschau hielt.
    »Wie gut, dass Sie gleich zurückgekommen sind, denn die hohen Wellen überschwemmen sehr leicht die schmale Bucht«, rief Dagmar ihr schon von weiten zu.
    »Nun, ich kann schließlich schwimmen«, entgegnete Lena atemlos.
    Dagmar lachte. »Aber wohl kaum bei diesen Wellengang.«
    Kaum hatten sie das schützende Haus erreicht, da entluden sich auch schon die dunklen Wolkenmassen in einem prasselnden Sturzregen. Die bis dahin friedliche Natur, schien in plötzlicher Launenhaftigkeit, ihre entfesselnde Macht zu demonstrieren.
    »Wenn Sie wollen, können Sie gleich mit uns zu Abend essen«, sagte Dagmar und zeigte auf die offene Wohnungstür.
    Als Lena das Zimmer betrat, sah Ernst sogleich von seiner Zeitung auf und blickte über den Brillenrand hinweg, ihr freundlich lächelnd entgegen. »Da haben Sie ja gerade noch Glück gehabt.«
    »Ja, ja, fast hätt mich der Wind umgepustet«, gab sie lachend zurück.
    Während des Essens und des weiteren Abends, unterhielten sie sich über ganz allgemeine, auffallend alltägliche Themen. Wobei Lena sehr wohl spürte, dass die konkreteren Dinge, die zweifellos sie selbst betrafen, bewusst ausgeklammert blieben. Was ihr momentan recht sein konnte, da sie sich reichlich unsicher fühlte. Genauer gesagt, sie war heilfroh und zugleich dankbar darüber.
    Tief und traumlos hatte Lena geschlafen. Sie fühlte sich wunderbar ausgeschlafen und erstaunlich erholt. Mit einem Ruck sprang sie aus dem Bett und eilte zum Fenster, um die dicht gefalteten Gardinen zurückzuziehen. Wie erstaunt war sie, als der helle Himmel, die nur mäßig bewegte Wasseroberfläche silbrig hell erscheinen ließ. Und somit einen totalen Gegensatz zum vorangegangenen Abend darstellte, wo das dunkle Grau, der sich aufbäumenden Wellen, lediglich durch die weißen Schaumkronen gemildert wurden. Heute Morgen aber, wurde der tiefblaue Himmel nur von einzelnen, unscheinbaren weißen Federwolken verunziert. Ein schöner Tag also.
    Gemäß dieser erfreulichen Tatsache, stieg ihr Wohlbefinden ins Unermessliche. Sie hätte es am liebsten laut hinausgeschrien, wie unvorstellbar leicht und froh sie sich fühlte – oder aber, stockte sie plötzlich, war das am Ende ein schlechtes Omen, am frühen Morgen derart happy zu sein? Und schon legte sie sich eine angemessenere Zurückhaltung auf – man konnte ja nie wissen.
    Als sie wenig später die schmale Treppe zur Diele hinabstieg, fiel ihr auf, welch unheimliche Stille im Haus herrschte. Kein Laut war zu hören, so als wenn niemand im Haus weilte. Unschlüssig blieb sie in der Diele stehen, und gerade als sie nach draußen gehen wollte, vernahm sie Dagmars Stimme aus dem Hintergrund. Sie drehte sich um, denn die Stimme kam von der Terrasse.
    »Ah, guten Morgen, Lena!«, rief ihr Dagmar gutgelaunt zu, als sie sie an der Tür erblickte. »Komm, setz dich zu mir, die anderen sind bereits aus dem Haus gegangen.«
    »Es tut mir leid, wenn ich jetzt erst komme, aber ich bin nicht eher aufgewacht. Ich habe herrlich geschlafen – und habe absolut nichts gehört.« Und während sie sich an den reichhaltig gedeckten Tisch setzte, fragte sie: »Du dagegen, bist wohl schon lang auf?« Wobei ihr das ›Du‹, auf das sie sich gestern Abend geeinigt

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