Die Ueberbuchte
verschwundenen Wagen nachzuschauen, wusste sie nicht zu sagen, da erst das rote Cabriolet, welches mit scharfen bremsen in der Einfahrt anhielt, sie aus ihrer Versunkenheit herausriss.
»Wieso stehen hier alle Türen offen?!«, rief die elegante Frau ungehalten vom Wagen aus.
Lena rührte sich nicht von der Stelle und erwiderte auch nichts. Überaus gleichgültig sah sie der ungewöhnlich attraktiven, dunkelhaarigen Frau entgegen, die nun mit allerlei Gepäck gewappnet auf sie zukam.
»Wer sind Sie überhaupt? Und wieso stehen hier alle Türen offen«, wiederholte diese gereizt.
»Herr Björnson ist soeben ins Krankenhaus eingeliefert worden.«
»Wie, mein Mann?!«, blieb die Frau erschrocken stehen.
»Nein, nicht Ihr Mann, Knut, Ihr Schwager.«
»Aha, Knut also«, atmete die Frau sichtbar erleichtert auf. »Den Ärmsten erwischt es jetzt aber auch andauernd …« Sie stellte ihre schwere Tasche ab und streckte Lena zur Begrüßung die zarte, feingliedrige Hand entgegen. Dann lächelte sie etwas von oben herab, was ihren sonst recht einnehmenden Wesen, etwas Kaltes, Überhebliches verlieh. »Sind Sie nicht die Frau – wie war das gleich noch?«, überlegte sie. »Ah jetzt weiß ich es wieder, die sogenannte ›Überbuchte‹, wie Knut Sie zu nennen pflegte?«
»Ja, die bin ich«, erwiderte Lena mit einem unwillkürlich frostigen Lächeln, das ihr zwar selbst missfiel aber irgendetwas störte sie an dieser Frau – ohne auch nur annähernd den Grund zu kennen. Und ohne noch weiter auf dieses Thema einzugehen, nahm sie eines der Gepäckstücke der Frau und trug es ins Haus.
»Danke«, sagte Franziska kurz und musterte Lena mit abschätzenden, prüfenden Blick; wahrscheinlich weil sie sich unschlüssig darüber war, ob sie sie in die Wohnung bitten sollte oder nicht.
Lena aber hatte sich bereits abgewandt, um in Knuts Wohnung zurückzukehren.
»Wenn Sie Lust haben, könnten wir ja heute Abend bei mir ein Gläschen Wein zusammen trinken; ich würde mich freuen.«
Lena zögerte. »Ich weiß nicht recht, ob ich heute nicht vielleicht ein eher langweiliger Gast sein würde.«
»Ach so, wegen Knut – na ja, wenn Sie meinen«, erwiderte sie lakonisch und wandte sich zum Gehen. Doch plötzlich blieb sie stehen und drehte sich zu Lena um. »Bleiben Sie eigentlich länger?«
»Nein, nur morgen noch.« Sie seufzte. »Obwohl es mir im Augenblick ziemlich schwerfällt, ausgerechnet jetzt Knut allein lassen zu müssen.«
»Wieso, sind Sie nicht im Vorruhestand, oder täusche ich mich da?«
»Nein, nein, das stimmt schon, doch ich bin freiberuflich tätig, was beileibe nicht mit unbegrenzter Freiheit gleichzusetzen ist. Richtig genommen, hätte ich längst schon wieder zu Hause sein müssen.«
»Komisch, dabei hatte ich angenommen, dass Knut …« Sie lachte kurz auf und winkte verächtlich mit der Hand ab. »Ach was, das sind seine Angelegenheiten.«
In Knuts Wohnung angekommen, blieb Lena einen Augenblick länger als notwendig an der Tür stehen, da ihr eine seltsam bedrückende Verlassenheit entgegenschlug – ein Gefühl, das sie erstarren ließ, sie am Fleck festhielt. Ratlos schloss sie einen Augenblick lang die Augen und versuchte sich zu sammeln. Endlich aber straffte sie den Körper wieder und ging erhobenen Hauptes bis zur Mitte des Zimmers. Die Morgensonne, oder treffender gesagt, die Vormittagssonne, tauchte das Zimmer in ein blasses und wie ihr schien, sehr vergängliches helles Licht , da sich bereits dunkle Gewitterwolken am Himmel auftürmten. Es war demnach nur noch eine Frage der Zeit, bis das reinigende Gewitter losbrechen würde.
Doch um der unaufhaltsamen Bedrohlichkeit eines Sturmes zuvorzukommen, macht sich Lena daran, alle beweglichen Gegenstände auf dem Balkon in Sicherheit zu bringen. Noch regte sich nicht der kleinste Lufthauch, die Luft schien still zu stehen, als hielte sie den Atem an. Und obwohl die Sonne durch den zarten milchigen Wolkenschleier, nur als eine flache, strahlenlose Scheibe zu sehen war, verringerte sich die schwüle Hitze kein bisschen. Sie musste unentwegt an Knut denken; wie mochte es ihm gehen? Wie, in dieser atembeklemmenden, brütenden Schwüle? Sie sah auf die Uhr und war enttäuscht, denn seit seinem Abtransport war kaum eine Stunde vergangen – ihr aber kam es wie eine Ewigkeit vor. Zumal sie erst im Laufe des Nachmittages auf eine Auskunft über seinen Zustand hoffen durfte.
Sie ging ins Zimmer zurück und ließ sich in den unmittelbar neben der
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