Die Ueberbuchte
Balkontür stehenden, bequemen, mit dunkelroten Rips bezogenen Lehnstuhl nieder. Ihr Blick fiel auf das gegenüberliegende, zwischen zwei Häuserfronten eingepferchte, einzeln stehende Haus mit aufwendig verzierten Erker, und eben an jenem hohen, gebogenen Erkerfenster, saßen auf einem gepolsterten Gestell, einem Blumenständer gleich, drei wunderschön anzusehende Angorakatzen, und zwar im pastellfarbenen blau, rosa und blauweißgetigert. Obwohl die Augen der Tiere öfters zu ihr herüberzusehen schienen, war sie sich darüber keineswegs so sicher; vielmehr bezweifelt sie ernsthaft, dass diese Tiere überhaupt etwas richtig wahrnahmen, so unecht wie die ausschauten.
Entferntes Telefonläuten und gleich darauf Franziskas gut artikulierte Stimme, klangen gedämpft zu ihr herauf. Obgleich nur einzelne, besonders erregt hervorgestoßene Worte zu vernehmen waren, war es dennoch nicht schwer zu erraten, dass es ihr Mann sein musste mit dem sie sprach. Zumindest war am aufbrausenden Tonfall zu erkennen, dass es sich um ein unerfreuliches, wenn nicht gar brisantes Gespräches handeln musste. – Dann plötzlich Stille. Unwillkürlich fiel Lena dabei Knuts abfällig hingeworfene Bemerkung ein: sie ist halt eifersüchtig … Eifersüchtig? Diese durch und durch elegante, mit allen Vorzügen einer begüterten Gesellschaftsschicht ausgestatteten Frau – eifersüchtig? Das vorzustellen, wollte ihr nicht so recht gelingen. Aus irgendeinem Grund, flößte ihr diese Frau ein nicht zu definierendes Unbehagen ein. Obwohl die anfänglich unfreundliche Gereiztheit, inzwischen einer formalen Sachlichkeit gewichen war, war die gewollt distanzierte Kälte nicht zu übersehen. Die Art wie sie sich bewegte, wie sie beim Sprechen den Kopf hob und ungnädig die feingeschwungenen Lippen schürzte, all das hatte etwas Unangenehmes, Willfähriges an sich. – Und bei dem bloßen Gedanken an Arne, ihren Mann, dem überaus gentlemanhaften, korrekten, aber dennoch menschlich warmherzigen Menschen, konnte sie nur unverständlich den Kopf schütteln. Ein seltsames Paar. Nun ja, äußerlich gesehen, hätte man sie ohne weiteres für ein Traumpaar halten können, und so versuchte sie den Gedanken weiter zu verfolgen; denn diese makellose schöne Frau sein Eigen nennen zu dürfen, hatte mit Sicherheit etwas Berauschendes an sich – hinzu kam, dass sie aus einem gut situierten Elternhaus stammte.
Noch während Lena träge ihren weitverzweigten Gedanken nachhing, war es der finsteren Wolkenwand endgültig gelungen, auch den letzten hellen Schimmer, und mochte er auch noch so diesig und fad sein, vom Himmel zu verbannen. Und obgleich es erst auf Mittag zuging, flammten die Straßenlaternen auf. Am grauschwarzen Horizont zuckten grelle Blitze auf, doch das darauffolgende Donnergrollen kam noch aus weiter Ferne. Erst beim Aufleben des Windes, gingen Blitz und Donner in rascher Reihenfolge ineinander über.
Lena stand auf und zog vorsorglich die Stecker der Elektrogeräte aus den Steckdosen. Und gerade noch in letzter Minute gelang es ihr, die riesige Palme auf dem Balkon vor der todsicheren Zerstörung in Sicherheit zu bringen. Selbst die kleineren Kübelpflanzen wurden vom peitschenden Sturm unbarmherzig hin und her gerissen, so dass sie dieser rohen Gewalt nicht mehr lang hätten standhalten können. Nur mit äußerster Mühe gelang es ihr, die schweren Kübel aus der Gefahrenzone des Windes zu entfernen. Außerdem hatte dieser kurze Moment ausgereicht, um sie bis auf die Haut durchzuweichen. Und da sich der Himmel mehr und mehr gelblich färbte, war jeden Augenblick mit Hagel zu rechnen.
Gerade als Lena patschnass ins Bad eilen wollte, läutete es an der Tür. Sie spähte vorsichtig durch den Spion und atmete erleichtert auf; es war Franziska – bibbernd vor Angst.
»Vollkommen allein in der Wohnung, das halte ich nicht aus!«, rief sie mit vor Angst hohen Stimme.
Lena konnte sich ein spöttisches Lächeln nur mit Mühe verkneifen. »Kommen Sie, gehen Sie schon voraus ins Wohnzimmer, ich komme gleich, ich muss nur schnell die nassen Klamotten ausziehen.«
Franziska aber wich nicht von ihrer Seite. »Wo sind Sie denn gewesen, dass Sie so nass geworden sind?«, fragte sie, während Lena sich den Bademantel überzog.
»Na, draußen auf den Balkon halt, um die Pflanzen in Sicherheit zu bringen.«
»Ach, etwa die schweren Kübel?«, wunderte sich Franziska und musterte Lena unauffällig. »So kräftig sehen Sie eigentlich gar nicht aus.«
Das
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