Die Ueberbuchte
primitives Verhältnis einlassen würde. Auch wenn ich Ihren Mann nur kurzzeitig kennengelernt habe, würde ich ihn einer solch naiven Plumpheit nicht für fähig halten – das hat er einfach nicht nötig.«
»Ach, Sie, was wissen Sie schon von Männern«, lamentierte sie weinerlich.
»Sicherlich, mit Ihren Erfahrungen kann ich mich natürlich nicht messen – übrigens, was ich auch gar nicht möchte – so kann ich dennoch mit allen Nachdruck sagen; dass ich Ihren Mann für einen Gentleman der alten Schule halte; ein Mann, der gewiss nicht leichtfertig Ihr Vertrauen, aufs Spiel setzen würde.«
Franziskas Körper straffte sich und ihre Augen, die eben noch vor lauter leidenschaftlicher Verletztheit dunkel funkelten, nahmen einen fast demütig weichen Glanz an. »Meinen Sie das wirklich …?«
»Aber ja, würde ich es sonst sagen.«
»Ich habe es aber doch mit eigenen Augen gesehen, wie er mit dieser jungen Mitarbeiterin – nicht einmal hübsch – ausgegangen ist und ganz eindeutig mit ihr geflirtet hat. – Dabei hatte ich mich so sehr auf sein freudig überraschtes Gesicht gefreut, wenn ich völlig unerwartet vor ihm auftauchte – dann diese Pleite! Und das mir …«
»Aha, so war das also«, lächelte Lena.«Dann hätten Sie wahrscheinlich besser daran getan, sich vorher anzumelden. Oder glauben Sie im Ernst, dass Ihr Mann während der gesamten Woche, noch dazu bei harter Arbeit, wie ein Eremit leben muss? Du meine Güte, deshalb muss er doch nicht gleich ein Verhältnis haben, nur weil er wahrscheinlich das Bedürfnis verspürte in Gesellschaft sein Essen einzunehmen. Oder sind Sie etwa während seiner Abwesenheit noch nie mit einem anderen Mann ausgegangen?«
»Naja, das ist schließlich auch was anderes – mein Mann hasst Partys. Am liebsten würde er …« Sie stockte plötzlich und lächelte verstohlen. »Möglicherweise haben Sie sogar recht. Obwohl, ganz geheuer ist mir diese Angelegenheit trotz allem nicht – nein, dafür kenne ich meinen Mann viel zu gut.« Sie seufzte. »Sie hätten Ihn sehen sollen, wie hinreißend liebevoll er sich mit dieser Frau unterhielt – ganz wie in früheren, längst vergangenen Zeiten.«
»Dann sollten Sie vielleicht einmal überprüfen, ob nicht vielleicht die Zeit es ist, die die einst wunderbaren Gefühle in Vergessenheit geraten läßt – sozusagen zur Alltäglichkeit herabgestuft, werden sie sehr leicht schal und fad; oder etwa nicht?«
»Vielleicht, aber durch seine permanente Zeitnot wird doch dauernd alles in Frage gestellt. Außerdem, wer hat denn erneut unseren schönen Plan vom gemeinsamen Leben durchquert? Er war es doch, der unbedingt diese unsinnige Arbeit im Osten annehmen musste! Dabei hat er es verdammt noch mal, überhaupt nicht nötig! Wir wollten endlich alles das tun, und zwar gemeinsam, wozu uns ständig die Zeit fehlt.«
Lena lachte. »Ihre Sorgen möchte ich haben, so jung wie Sie noch sind!«
»Apropos jung«, erhob sich Franziska, »ich muss unbedingt meinen Sohn anrufen, das hätte ich fast vergessen. Ach so«, blieb sie vor Lena stehen, »wenn Sie morgen Knut im Krankenhaus besuchen wollen, ich bringe Sie natürlich hin – denn Sie haben doch kein Auto, so viel ich sehen konnte.«
»Oh, das wäre natürlich sehr nett von Ihnen«, antwortete Lena angenehm berührt und sah Franziska bewundernd nach, wie sie in ihrer beweglichen Eleganz aus dem Zimmer verschwand. Was für eine auffallend schöne Frau! Deshalb konnte sie auch nicht glauben, dass ihr Mann diese Vorzüge unüberlegt aufs Spiel setzen würde. Möglicherweise mochte ja hin und wieder die Liebe zu seiner Arbeit alles andere übertreffen – wohl auch die der Liebe zu ihr. Von Franziska weg, wandten sich nun ihre Gedanken wieder besorgt Knut zu. Hoffentlich stabilisierte sich recht bald sein Gesundheitszustand – zumal der geplante Eingriff bevorstand. Sie ging unruhig im Zimmer auf und ab, dabei immer die Zeiger der Pendeluhr im Auge behaltend, die sich für ihre Begriffe extrem langsam weiterbewegten.
Endlich läutete das Telefon. Zaghaft nahm sie den Hörer ab und meldete sich mit ihren Namen. »Ach – du, Dagmar«, erwiderte sie gedehnt.
»Das klingt ja geradeso als wenn du einen anderen Anruf erwartet hättest«, bemerkte Dagmar.
»Ja und nein, je nachdem wie man es nimmt.«
»Könntest du das nicht vielleicht auch etwas präziser sagen, so dass ich es auch verstehen kann?« lachte Dagmar.
»Knut ist heute Morgen ins Krankenhaus eingeliefert worden.«
»Was?
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