Die Ueberbuchte
zugehört. Sie sagte nichts. Erst nach einer Weile bemerkte sie wie beiläufig: »Damit muss wohl jeder selbst zurechtkommen. Die Kluft zwischen Eltern und Kindern entsteht nicht von heute auf morgen, sie wird meist nur zu spät bemerkt.«
»Was mich viel mehr interessiert«, fragte Knut, »hat Arne sich inzwischen entschieden?«
»Ja.« Sie sagte das sehr fest und wie ihm schien mit einem bitteren Unterton. »Er wird demnächst in den neuen Bundesländern arbeiten. Übrigens, er kommt morgen, dann kannst du ihn selbst danach fragen.«
Knut sah sie unschlüssig an, er wusste nicht recht was er darauf antworten sollte, da er ihre Zurückhaltung genau spürte. »Schade, ich dachte er würde sich doch noch anders entscheiden, schon deinetwillen.«
»Ich auch – ich auch«, erwiderte sie knapp. Sie sah auf die Uhr. »Knut, du musst mich entschuldigen, ich werde gleich abgeholt«, sagte sie, und verließ rasch das Zimmer.
Er sah ihr nachdenklich nach, was für eine ausnehmend schöne Frau sie noch immer war! Eigentlich eine Frau, die nicht zu lang alleingelassen werden sollte. Doch das entsprach ganz und gar nicht seiner Aufgabe – es ging ihm im wahrsten Sinne des Wortes, nicht einmal etwas an.
Als Knut am anderen Morgen aufwachte und noch immer das bleierne Grau vor dem Fenster bemerkte, wäre er am liebsten noch weiter unter die warme Decke gekrochen, aber er musste um halb zehn Uhr beim Arzt sein.
Er setzte sich schließlich im Bett auf und lauschte, es schien niemand im Haus zu sein. Aber wer sollte auch da sein? Franziska? Nun, sie machte bestimmt keinen Lärm. Nun aber schwang er sich mit fast jugendlichen Elan aus dem Bett, öffnete das Fenster vollständig und begann mit seinen vom Arzt verordneten gymnastischen Übungen.
Später, als er allein am spärlich gedeckten Frühstückstisch saß, war ihm so, als würde sich plötzlich Freude über den ganz normalen, simplen Alltag regen – oder bildete er sich das am Ende auch nur ein? Denn nächste Woche um diese Zeit würde er bereits irgendwo im Süden, Osten oder Westen mit dem Bus unterwegs sein. Und wie er jetzt schon wusste, würde es auch diesmal wieder eine anstrengende Saison werden. Zumal in der Haupturlaubszeit, wenn alles gen Süden strömte, der immerwährenden Sonne entgegen.
Jetzt aber musste er sich beeilen, wenn er im dichten Morgenverkehr noch rechtzeitig ankommen wollte.
Der Arzt hatte ihn noch einmal gründlich untersucht und lächelnd festgestellt, dass er so gut erholt wie jetzt, einmal uralt werden könnte. Und da er noch keinerlei Lust verspürte, schon wieder in seine einsame Wohnung zurückzukehren, beschloss er über Mittag in der Stadt zu bleiben, um einige Besorgungen zu erledigen und anschließend gut zu speisen. Diese erfreuliche Aussicht auf einen geruhsamen, angenehm friedlichen Tag, beschwingte ihn irgendwie. Er fühlte sich unglaublich wohl, selbst beim miesesten, nasskalten Wetter.
Erst gegen Nachmittag kehrte er gutgelaunt und mit vollen Einkaufsbeuteln beladen, nach Hause zurück. In der Einfahrt stand Arnes silbergrauer Wagen. Also war er bereits angekommen. Und gerade als er die Haustür öffnen wollte, wurde sie bereits von innen geöffnet.
»Grüß dich, Knut!«, empfing Arne ihn mit lachenden Gesicht.
»Hilf mir lieber erst einmal, bevor du mich derart überfällst«, klagte Knut.
»Wie kann man auch nur so viel kaufen! Man möchte meinen, du hättest eine Großfamilie zu versorgen«, spottete Arne.
»Das könnte dir so passen«, erwiderte Knut gelassen. Und als sie endlich alles in der Wohnung abgestellt hatten, zog Knut eine Flasche guten Kognak aus dem am Boden stehenden Beutel, nahm zwei Gläser aus dem Schrank und schenkte ein. »Zum Wohl! Und auf alles was wir lieben!«
»Du bist ja so guter Stimmung heute, hat das etwa einen besonderen Grund?«, erkundigte sich Arne.
»Wenn du die Zusage für ein langes Leben aus berufenen Munde, dafür halten kannst, dann kennst du den Grund.«
»So so – naja, ich dachte schon …«, murmelte Arne sichtbar enttäuscht.
»Was du schon denkst«, winkte Knut geringschätzig ab und goss sich noch einmal nach.
»Ich weiß«, verzog Arne verächtlich den Mund, »du bist und bleibst ein Narr.«
»Vielleicht – vielleicht aber auch nicht, denn es ist mit Sicherheit noch nicht bewiesen, wer von uns beiden der größere Narr ist.«
»Ah, ich verstehe, du spielst auf meinen neuen Arbeitsbereich an, was dir also Franziska bereits gesteckt hat. Nun, du kennst
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