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Die Ueberbuchte

Die Ueberbuchte

Titel: Die Ueberbuchte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Rawolle
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ein reger Applaus.
    Der Bus fuhr nun im gleichmäßigen Tempo auf der gut ausgebauten, mehrspurigen Autobahn gen Süden. Die erste Zeit, wo alles neu, der Nachbar noch vollkommen fremd, herrschte eine verhältnismäßig ruhige Stimmung im Bus. Nur gedämpftes, leises Murmeln war ab und zu, zu hören. An den Gesichtern war deutlich zu erkennen, dass ihre Gedanken noch überwiegend Zuhause weilten; wahrscheinlich um zur eigenen Beruhigung die erforderlichen häuslichen Maßnahmen noch einmal Revue passieren zu lassen; denn es hätte ja in der Aufregung etwas vergessen sein können, auch wenn es sich zumeist nur um lapidare Dinge handelte, sowie, ob auch die Fenster geschlossen, die Stecker aus den Steckdosen gezogen, oder die notwendige Arznei eingepackt wurde. Also, höchste Anspannung und größte Distanziertheit in fast allen Gesichtern.
    Diese anfängliche, spürbar gehemmte Fremdheit, hatte Knut bisher noch bei jeder Busreise kennengelernt, doch die Erfahrung hatte ihm gelehrt, dass dieser Zustand in der Regel nie lang anhielt.
    Er drehte das Radio an, zog eine von den aufgestapelten Musikkassetten heraus und schob sie in das Kassettenfach. »Was mögen Sie eigentlich für Musik am liebsten?«, fragte er die Frau neben sich, die ebenfalls wie alle anderen, zurückgelassenen Problemen nachzugrübeln schien. Sie sah zumindest reichlich abwesend zu ihm auf.
    »Ich …?« Sie überlegte. »Eigentlich Klassik – aber das dürfte für diese Zwecke kaum das Richtige sein.«
    »Ja, das schätze ich auch«, erwiderte Knut. Und mit einem verhaltenen, leicht unergründlichen Lächeln fügte er hinzu: »Ich schätze, Sie werden sich mit dem allgemeinen Geschmack der Leute abfinden müssen.«
    »Na und …?« Sie schüttelte verwundert den Kopf. »In der Gemeinschaft hat sich nun mal der Einzelne der Mehrheit anzupassen.«
    Er erwiderte nichts darauf.
    Da die momentane, ziemlich eintönige Strecke keinerlei Aufmerksamkeit bedurfte, lehnte die Frau an seiner Seite den Kopf zurück und schloss die Augen.
    Hin und wieder warf Knut einen interessiert musternden Blick auf die sich ausruhende Frau neben sich. Sie musste so ungefähr in seinem Alter sein; vielleicht auch noch etwas jünger. Was aber bei ihm nichts zu sagen hatte, da er grundsätzlich bei Frauen daneben tippte. Was ihm aber sofort an ihr aufgefallen war, das war ihre extreme Reserviertheit, so eine kalte, möglicherweise unbewusste Abwehrstellung. Diese besondere Art von geheimen Schutzwall, hatte er schon des Öfteren, gerade bei alleinstehenden Frauen kennengelernt – und wofür er sich partout nicht erwärmen konnte. Andererseits musste er sich eingestehen, dass er im Grunde heilfroh darüber war, dass es genau diese Frau war und nicht irgendeine andere, die neben ihn Platz genommen hatte. Denn so seltsam es klingen mochte, hatte er vom ersten Moment an gehofft, dass es diese Frau sein würde.
    Er legte eine neue Kassette ein, volkstümliche Schlager, die von älteren Leuten immer gern gehört wurden.

    Nach ungefähr drei Stunden Fahrt, kündete Knut die erste Pause an der nächsten Autobahnraststätte an.
    Als Antwort war nichts weiter, als ein einhellig zustimmendes Gemurmel zu hören. Denn plötzlich schien auch der Letzte aus seinem Dahindösen erwacht zu sein und in Bewegung zu geraten, denn nun folgte ein pausenloses rascheln, suchen und herumkramen.
    Knut schmunzelte, da er die ständig wiederkehrenden Abläufe und Gewohnheiten seiner Passagiere genau kannte. Die Reaktionen ähnelten sich derart, dass er sie genau voraussehen konnte. Darin zumindest war keinerlei Unterschied von Ost und West zu spüren. Überhaupt, er hatte es bis zu dieser Stunde vollkommen vergessen, war völlig unerheblich geworden, dass … ja was eigentlich? Ihm war im Augenblick selbst nicht mehr ganz klar, was er in Wirklichkeit erwartet hatte und was nicht.
    Nachdem Knut endlich einen Parkplatz auf dem überfüllten Rastplatz gefunden hatte und die Türen sich öffneten, strömte erst einmal alles in Richtung Toiletten und Waschräume. Anschließend suchte der weitaus größte Teil, Restaurant, sowie Geschäfte auf, und der noch verbliebene kleinere Teil versuchte mit ausgiebigem Herumlaufen, die vom Sitzen steifen Gliedmaßen aufzulockern.
    Knut hatte sich währenddessen im Restaurant mit einigen Berufskollegen unterhalten.
    Auf dieser Weise, der ersten eigentlichen Begegnung, begann sich, und das auch wie üblich, das gruppenhafte Zusammenfinden zu entwickeln. Zumeist in

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