Die Ueberbuchte
aus, höchstens was ich aus Gesprächen mal so mitbekommen habe, aber da soll es angeblich Familien mit mehreren Kindern wesentlich besser gegangen sein, als ohne Kinder.«
Lena lachte. »Davon müsste ich eigentlich etwas wissen. – Sicherlich, mit heute verglichen, da könnte man es vielleicht so sehen. Kinder wurden zumindest nicht zu einem solchen Problem, wie es heute vielfach der Fall ist. Für Kinder war gesorgt, sozusagen von der Geburt bis zum Eintritt ins Rentenalter.«
»Und warum habt Ihr dann unbedingt die Einheit gewollt?«
»Hauptsächlich wahrscheinlich wegen das da«, sie zeigte lächelnd auf die sich nähernden Berge.
»Ein bisschen wenig, meinen Sie nicht auch?«, sagte er kopfschüttelnd.
»Wie man’s nimmt. Doch das Gefühl, immer eingesperrt leben zu müssen, kann mit der Zeit ganz schön frustrierend wirken – nur, das war nur einer von vielen Gründen. Die Hauptursache war natürlich die sich ständig verschlechternden Lebensverhältnisse, und natürlich der politische Druck, sowie die kategorische Bevormundung durch den Staat. Der Drang nach mehr Freiheit im Denken und Handeln, wurde schließlich zum Gebot der Stunde und zur uneingeschränkten Forderung.«
»Was sich ja auch gelohnt hat. Oder etwa nicht?.«
»Doch, doch, schon – nur leider ganz anders – denn viele der jahrzehntelangen, aus Verboten gehätschelnden Träume, wurden mitunter zu Alpträumen.«
»Wieso das denn …?«
»Ganz einfach, weil nichts aber auch gar nichts, im Leben zum Nulltarif zu haben ist. Denn da wo gegeben, wird gleichzeitig auch genommen, das ist nun einmal so. Und alle die, die nur die Vorteile sahen, sind nun schockiert von den Nachteilen.« Lena lächelte nachsichtig. »Und wissen Sie was ich glaube, dass es wahrscheinlich nie zu dieser großartigen Revolution gekommen wäre, wenn die Nachteile so sicher wie die Vorteile rechtzeitig zu erkennen gewesen wären.«
»Ach ja …?«, tat er ziemlich verwundert.
»Ich sehe, das erstaunt Sie.«
»Natürlich, da sich das ja fast nach Bedauern anhört.«
»Unsinn! Das hört sich schlimmer an als es ist. Denn richtig besehen, weiß jeder Einzelne sehr genau, dass es für unser wirtschaftliches, sowie politisches Dilemma gar keine bessere Lösung hätte geben können. Wohl dem, dass es noch rechtzeitig geschah – noch vor dem totalen Zusammenbruch, der ohnehin nicht mehr aufzuhalten war. Ich wollte damit ja auch nur sagen, dass es ebenso gut auch anders hätte kommen können – es stand auf Messers Schneide. Obwohl ernsthaft keiner mehr zum alten System zurückkehren möchte; wahrscheinlich nicht einmal die getreuen Systemanhänger, so werden sich dennoch die Stimmen nach Vergangenen mehren – schon aus dem Prinzip der Vergesslichkeit heraus.«
»Kann schon sein, aber ich weiß sowieso viel zu wenig über dieses schwierige Kapitel, als dass ich da recht mitreden könnte.«
»Das ist schon klar, man interessiert sich sowieso zumeist nur für bessere, schönere Dinge, und damit konnten wir absolut nicht dienen – selbst mit der Vollbeschäftigung und den Billigmieten nicht.«
Knut lachte. »Wenigstens scheinen Sie das alles recht gelassen zu nehmen.«
»Gott sei Dank nicht nur ich.« Plötzlich aber setzte sich Lena gerade auf, holte tief Luft, oder vielleicht war es auch ein Seufzer, so genau war das nicht zu unterscheiden und blickte derart gespannt auf die sich nähernden Berge, so dass auch Knut verstummte.
»Wie schön! Sehen Sie doch nur, sogar die Sonne kommt heraus! Ist das nicht herrlich!« Sie sah ihn kurz von der Seite an. »Entschuldigen Sie bitte, aber ich weiß mich jedes Mal vor lauter Freude kaum zu lassen, wenn sich plötzlich diese Bergkulisse vor mir aufbaut. Diese Schönheit, diese Großartigkeit, das nimmt einem schier den Atem.«
Knut sagte nichts, er lächelte nur. Dann nahm er das Mikrofon und begann einiges über die Landschaft, samt ihren Eigenheiten zu erzählen.
Doch Lena, sie sah nur, sie hörte nichts von alledem. Ihre Augen hingen an den schroffen Felswänden, als gälte es jeden Spalt, jede Fuge, jedes Rinnsal, jede Farbveränderung, auch die noch so unbedeutendste Wahrnehmung, zu ertasten, in sich aufzunehmen. Sie genoss es, wie die tiefhängenden Wolken nur zögernd, fast widerwillig das leuchtende Weiß der Gipfel preisgaben. Jene gewaltige Schönheit, die erst durch ihre kalte Starrheit, ihrer ach so krassen Unnahbarkeit wegen, erhabenes Staunen und gleichzeitig tiefste Rührung hervorrief.
Die Stimmung im
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