Die Ueberbuchte
Frühstück vorhanden war, entschloss sich Lena zu ihm hinauszugehen. Sie holte einen der zwischen den Liegen stehenden Hocker herbei und ließ sich nahe am Beckenrand nieder.
Der Mann schwamm indes ruhig seine Runden. Winkte ihr aber sogleich freudig zu, als er sie am Beckenrand entdeckt hatte. Nun schwamm er auf sie zu und hielt sich am Haltegriff fest. »Meine Frau hat sich gestern dermaßen verbrannt, dass sie sich heute kaum außer Haus wagt«, erzählte er ihr.
»O ja, das kenne ich. So ähnlich erging es mir in den ersten Tagen auch – eigentlich mehr weil ich am Strand eingeschlafen bin«, bekannte Lena.
»Sagen Sie mal, oder täusche ich mich da«, musterte er sie von unten herauf, »dass Sie heute ziemlich griesgrämig gucken?«
Lena lachte. »Naja, griesgrämig vielleicht nicht direkt aber etwas traurig, das könnte schon sein, denn es ist heute unser letzter Tag; wir müssen morgen abreisen.«
»O je, na ja, dann scheint es ja gerechtfertigt zu sein.« Und obwohl er weitersprechen wollte, hielt er inne und grinste sie vielsagend an. »Wohl mehr der Liebesromanze wegen, he?«
Lena wurde rot. Sie drohte ihm mit dem Finger. »Das könnte Ihnen wohl so passen, mir eine Liebesromanze anzuhängen! Nee, mein Lieber, da liegen Sie vollkommen falsch!«
»Nicht …? Schade …«, tat er enttäuscht.
»Nein, mein Lieber, ganz und gar nicht! Eine Urlaubsromanze? Gut, vielleicht, das könnte ich gerade nochmal gelten lassen.«
»Trotzdem, es ist dennoch schade«, bemerkte er. »Denn wir finden alle, dass Sie beide wirklich gut zusammenpassen würdet.«
»Wie schön von euch allen! Aber wie wäre es eigentlich damit: Würdet ihr möglicherweise auch eine Freundschaft akzeptieren?«
»Naja …« Er räusperte sich etwas umständlich. »Ist das nicht mehr etwas für junge Leute? In unserem Alter, das wissen Sie doch so gut wie ich, zählt mehr das Bodenständige – das Bleibende. Oder etwa nicht?«
»Ist schon möglich.« Sie zögerte und seufzte schwach. »Nur kann das Bodenständige auch leicht für den einen oder den anderen zur lebenshemmenden Falle werden. Zumindest habe ich das oft genug selbst erfahren müssen – daher, eine Wiederholung, nein danke!«
Der Mann sah sie kurz an, senkte den Blick, aber hob ihn sofort wieder und sagte offenbar verstimmt: »Gott, was soll ich dazu sagen? Es muss halt jeder selbst sehen, wie er im Leben am besten zurechtkommt. Die Ehe ist nun einmal kein Zuckerschlecken. Aber wenn jeder ein bisschen nachgibt und ein wenig Rücksicht nimmt, dann, das wiederum ist meine Erfahrung, kann auch eine Ehe recht angenehm sein. – Nur, die jungen Leute heutzutage, die machen sich die Mühe gar nicht erst. Was sie wollen, ist ja keine Verpflichtungen übernehmen und ja nichts von ihrer persönlichen Freiheit opfern. Sagen Sie doch selbst, ist das nicht ein bisschen zu einfallslos? Oder glauben diese jungen Menschen etwa, dass dieses Glück, welches sie in dieser totalen Freiheit vorzufinden hoffen, auf Dauer diesen gewünschten Anforderungen standhält? Vergessen sie nicht vielmehr dabei, dass die gemeinsame Freude, sowie das gemeinsame Leid, immer auch einen doppelten Gewinn darstellen. – Gut , fuhr er fort, als Lena nichts erwiderte, »auch wenn Sie, wie Sie selbst zugegeben haben, mitunter wesentlich andere Erfahrungen gemacht haben, so bleibt die Ehe dennoch das was sie ist – halt eine Gemeinschaft, und zwar ohne Wenn und Aber. Oder stimmt das etwa nicht?«
Lena schwieg noch immer. Sie nickte nur. Denn in ihr tobte ein Chaos von unterschiedlichsten Gefühlen. Mit einem Wort: das schlechte Gewissen. Wie froh war sie deshalb, als sie Knut die Stufen heraufkommen sah, um sie zum Frühstück abzuholen. Er beugte sich leicht vor, um ihr besser ins Gesicht sehen zu können. »Du meine Güte, Lena, du machst vielleicht ein Gesicht!«
»Was ihr nur alle mit meinem Gesicht habt!«, fuhr sie ihn ärgerlich an und erhob sich derart hastig, dass der Hocker dabei umkippte.
»Oh, die Dame hat schlechte Laune heute.«
»Quatsch! Nur kann ich es auf den Tod nicht ausstehen, wenn ich frühmorgens schon … Ach was …«, winkte sie plötzlich heftig ab und beschleunigte ihren Schritt.
Es dauerte daher auch noch eine ganze Weile, bis Lena ihre gewohnte Ausgeglichenheit wiedergefunden hatte. Erst nach einiger Zeit sah sie auf, direkt in Knuts Augen – sagte aber immer noch nichts. Nur ihre Augen baten demütig um Verständnis. Und gerade als er nach ihrer Hand greifen wollte, sagte
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