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Die Ueberbuchte

Die Ueberbuchte

Titel: Die Ueberbuchte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Rawolle
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Auch wenn sie sich irgendwann mal wiedersehen würden, blieb der jetzige Augenblick dennoch was er war, ein Abschied. Ab und zu schielte sie zu Knut hinüber, der aber wie immer, in ruhigster Selbstverständlichkeit den Bus steuerte, ohne eine tiefere Regung erkennen zu lassen.
    Gegenüber, auf der entgegengesetzten Fahrspur, hatte sich ein kilometerlanger Stau gebildet. Nun sahen sie es, zwei PKWs und ein Kleinbus waren in einem Unfall verwickelt. Ein Krankenwagen mit Blaulicht fuhr eben davon, und natürlich bevölkerten zahlreiche neugierige Passanten den Unfallort.
    »Scheußlich diese Neugier«, schimpfte Knut.
    »Sicherlich – aber manchmal doch auch ganz nützlich, wenn nicht gar Leben rettend.«
    Knut feixte. »Was mir garantiert noch nie untergekommen ist – immer nur der umgekehrte Fall.«
    »Manchmal wundere ich mich schon, dass bei dieser hemmungslosen Raserei nicht noch mehr passiert.«
    »Tja, wie überall, reine Glückssache und sonst nichts.«
    Allmählich kam Unruhe im Bus auf. Lena reckte den Hals, um nachzusehen.
    »Es steigen gleich einige Leute aus«, bemerkte Knut, noch bevor sie fragen konnte.
    »Ach so, deshalb.«
    Knut lächelte ungemein hinterhältig, als er mit Nachdruck hinzufügte: »Es war die Frau vom ersten Tisch, du weißt schon, die Frau mit dem besonderen Charme, die mich um diese Gefälligkeit bat.«
    »Ah, da sieh mal einer an!«, bemerkte Lena schmunzelnd. Und nach einer Weile fragte sie ganz unvermutet: »Und du, wo verbringst du die heutige Nacht?«
    »In irgend so einem kleinen Hotel – irgendwo in der Nähe der Agentur.«
    Nachdem die ersten Fahrgäste ausgestiegen waren, dauerte es nur noch kurze Zeit, bis sie die Endhaltestelle erreicht hatten. Was sich aber wegen der vielen Baustellen und der dadurch bedingten Umleitungen, doch noch ganz schön in die Länge zog. Es war einfach kein Vorwärtskommen mehr. Und als ob die holprig engen Straßen samt beiderseitig maroden Häuserzeilen, nicht schon trist genug gewesen wäre, fing es zu allen Überfluss auch noch zu regnen an, und kalt war es obendrein auch noch.
    »Diese Stadt ist eine einzige Katastrophe«, murrte Knut. Er warf ihr einen vielsagenden Blick zu. »Und hier in diesem traurigen Chaos wohnst du?«
    »Ich …?« Sie lachte. »Nee, nur das nicht! Wo ich wohne, da ist es grün und ruhig. Zwar ein Neubauviertel – aber ein schönes. Denn längst nicht jedes Neubauviertel muss hässlich und primitiv sein. Unsere Wohngegend zumindest nicht.«
    »Wie schön, also ein Grund mehr um es einmal kennenzulernen.«
    »Nun …«, sie rümpfte die Nase. »Ob du das auch so empfinden wirst, bleibt abzuwarten.«
    »So, da wären wir«, erwiderte er, anstatt einer Antwort.
    Lena zog stillschweigend die Jacke über und stieg aus. Sie half noch beim Herausnehmen der vielen Gepäckstücke der Leute, und erst dann, als Letzte sozusagen, streckte sie ihm die Hand zum Abschied entgegen. »Bitte, Knut, machen wir’s kurz. Es wäre sowieso sinnlos, auch nur einen Bruchteil von dem ausdrücken zu wollen, was uns an Großartigkeit widerfahren ist. Deshalb nur ein kurzes, inniges Dankeschön!«
    Er nickte und zog sie einen kurzen Augenblick lang wortlos an sich, dann stieg er rasch ein und rief ihr noch zu: »Ich werde mich bei dir melden, sobald ich aus Spanien zurück bin!« Dann fuhr er davon.
    Lena blickte ihm nach, so intensiv und wehmütig, wie sie schon lang niemand mehr nachgesehen hatte. Erst als von ihm gar nichts mehr zu sehen war, erfasste sie augenblickslang ein heftiges Verlangen ihm hinterherzulaufen, um ihm das zu sagen, auf das er bis zur letzten Minute gewartet hatte – und sie spürte ein kräftiges Würgen im Hals … Sie war allein … Sie wollte zwar weitergehen, aber sie rührte sich nicht von der Stelle.

3. Die endgültige Entscheidung
    Eine Woche war seit dem Abschied an der Bushaltestelle vergangen. Alles war wie sonst und doch auch nicht. Lena saß an ihrem Arbeitstisch, auf dem wahllos angefangene Entwürfe, sowie halbfertige, zum Teil zerknüllte Arbeiten lieblos herumlagen, und starrte mit lustlos aufgestützten Kopf, auf die von der Morgensonne hellen Flecken, gegenüber auf der weiß getünchten Wand. Mit vorgebeugtem Oberkörper, völlig im Schauen versunken – aber sah sie wirklich was sie anstarrte? Sie grübelte und grübelte … Und das schon seit Tagen – einmal mehr und einmal weniger. Schließlich erhob sie sich mit jähen Ruck, ging zum Fenster und blickte zum wolkenlosen, sanft blauen Himmel

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