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Die Ueberlebende

Die Ueberlebende

Titel: Die Ueberlebende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kishwar Desai
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Lichterfest einkaufen und Kerzen besorgen, um damit das Haus festlich zu schmücken. Doch in diesem Jahr wollte ich diese Zeit lieber darauf verwenden, Licht in das Dunkel von Durgas Fall zu bringen. Vielleicht, dachte ich, würde ich tatsächlich von Amarjit die Erlaubnis bekommen, mit Durga das Lichterfest im Haus ihrer Eltern verbringen zu dürfen. Das würde ihr vielleicht helfen, sich von den in ihr angestauten Emotio nen zu befreien, und könnte der Auslöser sein, der sie endlich zum Sprechen brachte.
    Je länger ich darüber nachdachte, umso mehr gefiel mir der Gedanke. Zuvor jedoch war es mir ein Bedürfnis, ein wenig mehr über meine »Verdächtige« zu erfahren. Ich ging die Liste mit den Telefonnummern meiner ehemaligen Schulfreundinnen auf der Suche nach denen durch, die noch irgendwie greifbar waren, und beim fünften Versuch hatte ich Glück und Amrinder Kaur am Apparat.
    Amrinder und ich waren auf der Schule Erzrivalinnen gewesen. Sooft ich sie in einem Punkt übertroffen hatte, musste sie die Scharte sogleich bei nächster Gelegenheit wieder auswetzen. Ich hatte erwartet, dass aus ihr eine bedeutende Wissenschaftlerin oder Mathematikerin würde, doch für sie war es damals wichtiger gewesen, zu Hause wohnen zu bleiben und sich um ihre kranke Mutter zu kümmern. Was letzten Endes auch der Grund dafür war, dass ich sie überhaupt zu fassen bekam – indem ich nämlich die Telefonnummer ihrer Mutter anwählte. Früher war Ma Sukhi eine kernige Frau gewesen, die Kerzen auspusten konnte, indem sie einfach nur tief Luft holte, und sie konnte einem gründlicher die Luft zum Atmen nehmen als sonst jemand. Ich empfand eine gewisse Nervosität bei dem Gedanken, ihr und Amrinder wieder zu begegnen – unser letztes Zusammentreffen war nicht allzu angenehm gewesen. Doch vielleicht würden die Dinge heute ganz anders liegen. Schließlich hatte Amrinder inzwischen geheiratet und war Mutter zweier Töchter. Und eine davon war eine Klassenkameradin von Durga.
    Ich ließ mir eine Fahrradrikscha kommen und war schon bald wieder unterwegs. Beim Anblick der dünnen, sich abstrampelnden Beine des Fahrers wünschte ich mir, ich wäre doch lieber zu Fuß gegangen, doch damit hätte ich mich nur den plumpen Annäherungsversuchen der Bordsteinromeos ausgesetzt, einer ganz und gar eigenen Spezies des indischen Mannes, die ihren Lebenszweck einzig und allein darin sieht, nichtsahnenden Frauen sämtlicher Altersstufen dreist aufzulauern. Obwohl ich längst die Blüte meiner Jahre erreicht hatte – was meine Mutter mir oft genug vorhielt –, zog ich doch noch so manchen anerkennenden Blick auf mich. Also lehnte ich mich zurück, um die Fahrt zu genießen.
    Ã„rgerlicherweise wurde ich durch einen Bus, der mir beim Überholen meines Gefährts eine Abgaswolke ins Gesicht pustete, aus meinen Träumereien gerissen. Ich bedeckte meine Augen mit meinem Schleier und saß für den Rest der Strecke mit fast bis ans Kinn hochgezogenen Knien da, keine allzu graziöse Haltung für meinen Antrittsbesuch in der besseren Gesellschaft Jullundurs.
    Die Fahrt dauerte nur rund zehn Minuten, und als wir Amrinders Haus erreichten, sah ich zu meiner Verwunderung einen Jeep der Polizei davor stehen. Und meine Verwunderung wurde noch größer, als ich Ramnath Singh aus dem Haus kommen sah.
    Â»So trifft man sich wieder.«
    Â»Wenn ich recht verstanden habe, sind Sie mit meiner Frau zusammen zur Schule gegangen. Wenn Sie mir das schon gestern verraten hätten, hätte ich Sie schon längst zu uns nach Hause eingeladen.«
    Irgendwie konnte ich mir überhaupt nicht vorstellen, dass ein Stockfisch wie Ramnath Singh mit Amrinder liiert sein sollte. Aber ich hatte sie ja nicht einmal gefragt, ob sie verheiratet wäre.
    Â»Und ich habe schon fast gedacht, Sie wären hier, um sie festzunehmen!«
    Â»Wie Sie sehen, befindet sie sich bereits unter Hausarrest«, erklärte er in seinem neckischen Tonfall, der mir auf die Nerven ging und noch dazu von seinem verstörenden Lachen begleitet wurde. In diesem Moment erschien Amrinder in der Haustür. Sie war größer, als ich sie in Erinnerung hatte, aber immer noch ausgesprochen schön – nur ihr langes braunes Haar hatte sie sich zu einem modischen Bob schneiden lassen.
    Â»Hi, ich hatte gedacht, du wärest im Bilde. Wir haben gleich nach der Schule

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