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Die Ueberlebende

Die Ueberlebende

Titel: Die Ueberlebende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kishwar Desai
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geheiratet. Eine kleine Warnung, bevor wir reingehen – Mutter hat Krebs, aber sie redet nicht gerne darüber. Im Augenblick schläft sie, aber nachher will sie sich bestimmt gerne mit dir unterhalten.« Amrinder führte mich in ihr Wohnzimmer, während Ramnath ins Schlafzimmer ging, um zu packen. Er musste für ein paar Tage nach Amritsar.
    Auf den Samjhauta Express, die historische Eisenbahn, die zwischen Lahore und Neu-Delhi verkehrte, war ein Bombenanschlag verübt worden. Als mögliche Attentäter waren neben Al-Kaida auch der pakistanische Geheimdienst und sogar die Islamistische Studentenbewegung Indiens im Gespräch. In Indien tummelten sich so viele militante Organisationen, dass die Polizei quasi aus dem Vollen schöpfen konnte, um Verdächtige zu finden. In diesem Fall war man immer noch damit beschäftigt, die Anzahl der Todesopfer festzustellen, während die Krankenhäuser kaum die vielen Verletzten unterbringen konnten.
    Amrinders Haus war groß und geräumig und hatte einen kunstvoll angelegten Garten wie alle Häuser in diesem Viertel, das sich Model Town nannte. Von einem mit reichlich barocken Verzierungen überladenen Balkon hatte man einen Blick auf den Garten und die Straße, die am Haus vorbeiführte. Das Haus war in knalligem Pink gestrichen, einer in Jullundur, wo die meisten Häuser meeresblau, minzegrün oder eben rosa waren, ausgesprochen beliebten Farbe. Vermutlich verfolgte man damit eine bestimmte Absicht – je bunter die Farbe, umso regelmäßiger musste sie erneuert werden. Und gab es eine bessere Möglichkeit, seinen Reichtum zu demonstrieren, als sein Haus öfter neu streichen zu lassen als die Nachbarn? Innen waren die Räume überladen mit Kristallglas, importierten Porzellanfiguren und plüschigen Möbeln im viktorianischen Stil, komplett mit vergoldeten Armlehnen und Beinen. Ramnath schien offensichtlich gut zu verdienen, und mit Amrinder hatte er ja auch eine gute Partie geheiratet. Ich wünschte mir, dass er bald aufbräche und uns nicht länger auf der Pelle hocken würde. Ich hatte das unangenehme Gefühl, dass er nur nach Hause gekommen war, um herauszufinden, wieso ich Amrinder nach so vielen Jahren besuchen kam. Hatte er etwa vor, unser Gespräch zu belauschen?
    Amrinder hatte bereits den Kaffeetisch mit frisch gepresstem Limonensaft und selbstgebackenem Schokoladenkuchen gedeckt. Für ein paar Augenblicke vergaß ich die hartnäckige Rivalität unserer Schulzeit.
    Â»Wie lange ist es her, seit wir uns zuletzt gesehen haben? Zwanzig Jahre?«
    Â»Weißt du noch, wie wir uns immer gegenseitig übertrumpfen wollten? Das war doch geradezu lächerlich«, amüsierte sich Amrinder und ließ beim Lächeln ihre perfekten weißen Zahnreihen aufblitzen. Ich behielt die Lippen über meinen nikotinfleckigen Zähnen fest g eschlossen. Ich konnte nichts Amüsantes daran finden, mich an meine Schulzeit zurückzuerinnern, aber gleichzeitig wollte ich, dass mein Wiedersehen mit Amrinder so angenehm wie möglich verlief.
    Â»Was für ein Gefühl ist es denn, nach so vielen Jahren hierher zurückzukommen?«, erkundigte sich Amrinder. Ihr Tonfall klang immer noch unbeschwert. Falls in ihr alte Feindseligkeiten hochkamen – so wie in mir –, dann wusste sie sie gut zu überspielen.
    Â»Ich weiß nicht, ob ich jemals hierher zurückgekehrt wäre, wenn Amarjit mich nicht gebeten hätte, ihn in Durgas Fall zu unterstützen. Ich habe versucht, sie etwas näher kennen zu lernen, bin sogar in der Schule gewesen, weil ich mir dort irgendwelche Hinweise versprochen habe. Doch um ehrlich zu sein – abgesehen davon, was in den Zeitungen zu lesen stand und was im Fernsehen über sie berichtet wurde, weiß ich bisher kaum etwas über sie.«
    Â»Ramnath ist sehr darauf erpicht, den Fall zu einem Abschluss zu bringen. Und sie ist ja schließlich die Hauptverdächtige.«
    Â»Aber sie ist auch noch sehr jung, und sie zeigt die klassischen Symptome eines Traumas. Sie scheint sich völlig abzukapseln. Deswegen habe ich mir gedacht, dass ich dich vielleicht einmal fragen sollte. Du hast schließlich all die Jahre hier gelebt. Deine Mutter und deine Töchter müssten doch Durga und ihre Familie ebenfalls kennen.«
    Â»Ich weiß nicht, wie viel Ram dir erzählt hat …«
    Â»Weißt du, wir hatten kaum Gelegenheit, uns zu

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