Verschwinden.
Das Telefon in meinem Zimmer läutete. Es war mein Freund Amarjit. Er wollte wissen, ob es mir auch an nichts fehlte. Wurde ich paranoid, oder schwang da eine gewisse Kälte in seinem Tonfall mit? Seit meiner Ankunft hier hatte ich ihn kaum zu Gesicht bekommen â und doch erinnerte ich mich an eine Zeit, als er nicht ohne mich hatte leben können. All diese Ausfahrten mit dem Motorrad und die geheimen Treffen â wie lange war das her? Doch vielleicht hatte er sie noch schneller vergessen als ich. Nicht, dass ich das Vergangene unbedingt wiederaufleben lassen wollte, aber ein wenig mehr Herzlichkeit hätte mir in diesem Augenblick gutgetan.
Er wollte auch wissen, ob ich schon irgendwelche Fortschritte gemacht hätte. Ich sagte ihm, dass es mir gelungen wäre, Durga ein wenig zum Reden zu bringen, und dass sie merkwürdigerweise angedeutet hatte, sämtliche Fotos von ihr und ihrer Schwester wären von der Dienerschaft vernichtet worden.
»Sie hat eine überrege Fantasie. Ich bin mir sicher, dass in dem Haus nach den Morden nichts angerührt worden ist â abgesehen von den üblichen Reinigungsarbeiten«, sagte Amarjit. Seine Stimme klang immer noch sehr förmlich. »Ramnath hat niemandem erlaubt, etwas in dem Haus zu verändern, schlieÃlich gilt ja alles als Beweismittel in dem Mordfall. Aber versuch doch bitte, ihr etwas zu entlocken. Die Presse sitzt mir wirklich im Nacken, wie es mit der Untersuchung vorangeht. Ich möchte nicht, dass voreilige Schlüsse gezogen werden. Du weiÃt ja, dass ich mit ihren Eltern gut befreundet gewesen bin; da möchte ich gewährleisten, dass sie eine faire Chance bekommt, sich zu verteidigen ⦠Am besten wäre es, wenn herauskäme, dass es jemand anderes getan und ihr die Schuld in die Schuhe geschoben hat.«
Sollte das ein versteckter Hinweis gewesen sein? Wurde von mir erwartet, dass ich irgendwelche Beweise zusammenschusterte und sie ihm dann zuspielte, damit er den Fall abschlieÃen und Durga gehen lassen konnte? Argwöhnte er, ebenso wie ich, dass man ihr die Tat anzuhängen versuchte?
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An
[email protected] Hallo, ich hoffe, es ist alles in Ordnung ⦠ich muss unbedingt mit dir telefonieren, bitte schreib mir deine Nummer und wann eine gute Zeit ist, anzurufen. Obwohl ich natürlich weiÃ, dass du vollkommen mit der Geburt deines Kindes beschäftigt sein musst. Durga ist sich übrigens absolut sicher, dass es ein Mädchen werden wird! Und dass du sie Mandakini oder Mandy taufen wirst!
Ãber Rahul habe ich von ihr noch nichts erfahren können. War das ein Freund von ihr?
Pass auf dich auf, Simran.
PS: Ich finde, ich sollte meinen Namen auch in Simi ändern.
An
[email protected] Hallo, jetzt sind es nur noch ein paar Tage: Wir haben immer gewusst, dass es ein Mädchen wird. Man hat mich nämlich zu einer Ultraschalluntersuchung geschickt. Mein Schwiegervater ist mit mir hingegangen. Durga ist nicht von meiner Seite gewichen â sie ist mein Engel. Rahul ist ihr adoptierter Bruder. Ihre Mutter hat ihn vor vier Jahren zu sich genommen. Ich glaube, ich habe schon zu viel gesagt. Habe heute meinen emotionalen Tag. Denke viel an meinen Engel. Gib auf sie acht. Bis dieser Tage, B
5. KAPITEL
13. September 2007
Manchmal glaube ich, dass ich für immer so leben könnte. Ich hänge praktisch in der Luft. Ich rede nur, wenn ich angesprochen werde. Ich esse, wenn mir etwas zu essen hingestellt wird. Ich schleppe mich an mir ab, seit das Gewicht meines Körpers unerträglich geworden ist. Was ist denn schon groà der Unterschied zwischen hier und drauÃen? DrauÃen könnte ich wohl zur Schule gehen, aber, um was zu lernen? Manche der Mäd chen an der Schule reden davon, etwas anzufangen oder einen Beruf zu ergreifen, aber ich weiÃ, dass das alles Hirngespinste sind â letzten Endes werden sie doch alle heiraten, dann Kinder bekommen und dann gezwungen sein, zu Hause zu bleiben. (Oder jeden Abend in den Club zu gehen wie meine Mutter, bis ihr einfiel, dass eifrig praktizierter Glaube ihr vielleicht zu einem kleinen Sohn verhelfen könnte.) Jedenfalls zu tun, was ihre Göttergatten von ihnen verlangen. Das hat meine Mutter auch zu Sharda und mir gesagt â dass wir aufhören sollten, uns selbst zu bemitleiden, weil das allen Mädchen bevorstand, nicht nur uns. Und dass es uns gut gefallen würde, sowie