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Die Ueberlebende

Die Ueberlebende

Titel: Die Ueberlebende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kishwar Desai
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Freund Amarjit Ihnen das nicht gesagt hat? Und was ist mit seinem Busenfreund Ramnath Singh, dem Polizeisuperintendenten? Sie alle wissen Bescheid. Sie waren bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu Besuch bei Durgas Vater. Sie waren dabei, als Sharda …« Er hielt mitten im Satz inne.
    Â»Es tut mir leid, aber ich verstehe nicht, was das alles zu bedeuten hat. Wollen Sie etwa behaupten, diese Männer wüssten, wo Sharda sich aufhält?«
    Â»Das ist korrekt.«
    Â»Und wo ist sie hin?« Harpreet Singh antwortete nicht sogleich. Er sah seine Frau an, die fast unmerklich den Kopf schüttelte. Was ging hier vor? Anstatt einer Lösung näherzukommen, stellten sich mir durch diese Begegnung nur umso mehr Fragen. Vielleicht musste er in Gegenwart seiner Frau mit seinen Äußerungen übervorsichtig sein? Und scheinbar wollte sie nicht, dass er noch mehr offenbarte.
    Â»Ich würde es Ihnen ja sagen, aber es hat keinen Sinn. Es würde Durga nicht helfen. Und Ihnen auch nicht, glaube ich. In diesem Teil der Welt ist es das Beste, so wenig wie möglich zu wissen. Lassen Sie auf jeden Fall die Polizei ihre Arbeit machen. Es ist nicht Ihre Aufgabe, Detektiv zu spielen.«
    Â»Ich habe verstanden … aber eine letzte Frage noch. Ich habe eine Mail von Binny, Durgas Schwägerin in Southall, bekommen. Sie hat darin jemanden namens Rahul erwähnt. Wissen Sie etwas über ihn?«
    Er stand abrupt auf, wandte sich ab und trat an ein Regal, wo er sich mit einigen Büchern beschäftigte.
    Â»Rahul ist in das Haus in Company Bagh gekommen, nachdem ich dort zu arbeiten aufgehört hatte«, sagte er mit bedächtiger Stimme. »Lassen Sie mich mal schauen, ob ich hier ein paar von Durgas Büchern finde. Sie hat mal einige Kurzgeschichten geschrieben, hauptsächlich Märchen mit ziemlich unglücklichem Ausgang … Vielleicht kann ich Ihnen ein Buch für sie mitgeben. Sie liest sehr gerne.«
    Ich steckte das Buch, das er mir schließlich gab, in meine Tasche und holte die Bücher hervor, die ich aus dem Haus mitgenommen hatte.
    Â»Kommen Ihnen die bekannt vor?«
    Er nahm die Bücher in seine Hände, und für einen Augenblick glaubte ich, Tränen in seinen Augen gesehen zu haben.
    Â»Diese Bücher haben alle Sharda gehört. Wo haben Sie die her?«
    Â»Aus dem Haus.«
    Â»Dem Haus? Aber …«
    Sudha erhob sich.
    Â»Bitte entschuldigen Sie mich. Ich muss das Abendessen vorbereiten.«
    Â»Möchten Sie die Bücher behalten?«
    Ich konnte es mir selber nicht erklären, was mich bewogen hatte, das zu ihm zu sagen. Irgendwas in seinen Augen, der sorgenvolle Ausdruck auf seinem Gesicht. Die Art, wie er die Winkel seines perfekt geformten Mundes nach unten zog. Wir waren nun allein im Zimmer, und ich spürte seine Gegenwart geradezu körperlich. Ich bemühte mich, mir nichts anmerken zu lassen, aber ich musste gegen eine unerklärliche Affinität ankämpfen, die mich zu ihm hinzog. Es war, als teilte er mir mit seinen Worten mehr mit, als er tatsächlich sagte, und ich hatte das Verlangen, ihm anzuvertrauen, dass er mir unter die Haut ging und dass ich nur zu gut nachvollziehen konnte, was ihn bewegte. Ebenso wie ich kämpfte er gegen Ungerechtigkeit, aber seine zurückhaltende Art machte es schwierig für mich, etwas dazu zu sagen – es wäre mir einfach anmaßend vorgekommen.
    Meine Frage schien ihn vorübergehend in einen kleinen Jungen verwandelt zu haben.
    Â»Wenn Sie es gestatten? Bloß für ein paar Tage.«
    Â»Gewiss doch, nehmen Sie sich nur Zeit … Aber falls Ihnen doch etwas einfällt, das Durga helfen könnte, lassen Sie es mich bitte wissen, ja? Irgendetwas, das sie dazu bringen könnte, sich mir zu öffnen.«
    Â»Selbstverständlich.« Er hörte auf, in den Büchern zu blättern. »Es mag Ihnen etwas merkwürdig vorkommen … aber es könnte Ihnen weiterhelfen. Wissen Sie, was manchmal mit Frauen geschieht, die … unerwünscht sind?«
    Â»Sie meinen, wie die weiblichen Babys, die bei der Geburt getötet werden und dann irgendwo verschwinden?«
    Â»Ja, und auch noch in späteren Lebensjahren. Sie haben doch meine Frau gesehen? Nun, sie hat es überlebt. Andere haben nicht so viel Glück. Durga hat für sich entschieden, dass sie zu den Überlebenden gehören wollte. Anderen aber schien das nicht zu passen. Mehr kann ich Ihnen

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