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Die Ueberlebende

Die Ueberlebende

Titel: Die Ueberlebende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kishwar Desai
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Aber da ich ja inzwischen wusste, dass auch Amarjit in die Vertuschung der Umstände von Shardas Verschwinden verstrickt war, sollte ich mir vielleicht genauer überlegen, wem ich mein Vertrauen schenkte?
    Â»Ein kleiner Trost dürfte es für dich sein, dass diese Bombenanschläge – in Jaipur hat es heute auch wieder einen gegeben – zumindest die öffentliche Aufmerksamkeit von Durgas Fall ablenken. Das gibt dir etwas mehr Zeit, dich damit auseinanderzusetzen. Wie geht es dem Mädchen denn? Hat sie dir schon etwas gesagt?« Dann fiel ihm wieder ein, dass der Fahrer ja jedes Wort mithörte, und er fügte rasch hinzu: »Du brauchst uns überhaupt nichts von dem, was sie sagt, mitzuteilen. Lass es mich nur wissen, wenn wir eine Aussage von ihr bekommen können.«
    Â»Ein bisschen hat sie schon von sich preisgegeben. Aber wir tun ihr unrecht. Sie ist immer noch traumatisiert.«
    Ich redete wieder mit dem alten Amarjit, dem, den ich auf dem College und auf der Universität gekannt hatte, der mir meine ganzen Kartoffelfladen weggegessen hatte, ehe ich auch nur den Mund aufbekam.
    Â»Ich weiß, mach dir keine Sorgen. Ich halte dir den Rücken von Amrinder und Ramnath frei, zumindest während der nächsten zehn Tage. Aber du weißt ja um den Ehrgeiz der beiden, und dies ist ein Fall, der bis in die höchsten Kreise Beachtung findet. Vergiss nie, dass ich der Einzige bin, der Durga auf freiem Fuß sehen möchte. Es wäre alles sehr viel einfacher, wenn … sei’s drum. Setzen wir uns zusammen und reden wir, sobald ich wieder da bin.«
    Dieses letzte Versprechen überhörte ich geflissentlich. Er hatte mir zehn weitere Tage zugebilligt, und das war das, was zählte.
    Ich entstieg dem Wagen mit dem Gefühl, einen entscheidenden Schritt vorangekommen zu sein. Es war beruhigend, zu wissen, dass mir eine Atempause vergönnt war, um mich Durga zu nähern, ohne dass mir jemand im Nacken saß – obwohl mein Auftrag natürlich grundsätzlich unverändert blieb. Ich reckte die Schultern und betrat den Besucherraum.
    Ich hatte Durga eine Schachtel Schoko-Konfekt mitgebracht, um damit Mandys Geburt zu feiern. Ich bemühte mich, trotz der bizarren Umstände alles so normal wie möglich erscheinen zu lassen, so gut es eben ging. Es war allerdings ein Vorteil, dass Durgas Bewacher mich in Amarjits Wagen hatten vorfahren sehen, denn so ließ man mich mit meiner Schokolade ungehindert passieren.
    Durga wartete bereits auf mich, und wie bei jedem Kind begannen ihre Augen, angesichts der Schachtel in meiner Hand sofort zu leuchten. Warum war ich vorher nicht darauf gekommen? Ich musste ihr öfter Geschenke kaufen, aufhören, sie wie eine Straftäterin zu behandeln, deren Dasein entbehrungsreich zu sein hatte. Es ist schon eigentümlich, wie das Gefängnis die herkömmlichen Muster von Kauf und Konsum vollkommen konterkariert. Sowie man das Tor durchschritten hat, geht man sofort davon aus, dass alles auf dreckige Toiletten, dunkle Zellen und verwässertes Essen voller Maden reduziert sein muss. Natürlich war Durga bisher davon verschont geblieben, endgültig auf jegliche Annehmlichkeiten verzichten zu müssen, aber mir wurde mit einem Male sehr bewusst, dass mir die Schlüsselrolle darin zukam, wie lange ihr das Schicksal, von dem Ramnath fest glaubte, dass sie es verdient hätte, noch erspart blieb. Ihr Überleben hing von den Ergebnissen ab, zu denen ich mit ihr gelangen würde – und davon, wie ich sie Amarjit präsentierte.
    Â»Gibt es eine bestimmte Sorte, die du besonders gerne magst?«
    Durga schien zu zögern, irgendwelche Vorlieben zu äußern.
    Â»Ich mag die mit Orangengeschmack am liebsten«, sagte ich.
    Zaghaft bot sie mir etwas von der Schokolade an.
    Ich brach vorsichtig ein kleines Stück ab und hielt die Schachtel dann der Wärterin hin, die halb dösend in der Mittagssonne vor der Tür wachte. Sie lächelte mir zu und bediente sich.
    Â»Hast du das Buch gelesen, das Harpreet dir geschickt hat?« Sie nickte.
    Â»Was war das für ein Buch?«
    Â»Es war ein Buch mit Gedichten von Amrita Pritam.«
    Â»Hast du die gerne gelesen?«
    Â»Und Shiv Kumar Batalvi auch.«
    Â»Bist du nicht ein bisschen zu jung für solche Gedichte?«
    Â» Maye ni maye
Main ik shikra yaar banaya
Churi kuttan ta o khanda nahin
Weh asa dil da maas khawaya .«
    Als ich diese

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