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Die Ueberlebende

Die Ueberlebende

Titel: Die Ueberlebende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kishwar Desai
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das Mädchen mir mitzuteilen hat. Damit ich ihr die richtigen Fragen stellen kann.«
    Das schmale, vom Krebs gezeichnete Gesicht beantwortete meinen Einwand mit einem Schmunzeln, jede Runzel und jede Falte darin spotteten ob meiner Unerfahrenheit und meines törichten Vorgehens. »Ach, Simran, also wirklich! Du musst dich aber auch immer einmischen, nicht wahr? Immerzu steckst du deine Nase in irgendwelche Dinge. Du hast den ganzen Polizeiapparat hinter dir, aber du versuchst immer noch, ihnen zu zeigen, dass du es besser kannst. Du willst schlauer sein, als es für dich gut ist. Aber in der Vergangenheit hat es dir doch auch nicht geholfen, dich so in deine Arbeit hineinzuknien, oder? Denk doch mal daran, als …« Sie sah ihre Tochter an, und beide brachen in schallendes Gelächter aus.
    Die Dinge gerieten im Sturzflug außer Kontrolle. Ich war auf der Suche nach Verbündeten hierhergekommen und hatte stattdessen nur alte Rivalitäten aufgewühlt. Mich ergriff ein beklemmendes Gefühl. Die Mutter Oberin, die drohend mit ihrem Notizbuch wedelte, und meine Unfähigkeit, auch nur ein einziges Wort hervorzubringen. Mein Wunsch, meine Freundinnen zu beschützen, und dann die Beweise, die un umstößlich auf dem Tisch lagen … Ich war in eine perfide Falle gelaufen.
    Ich erhob mich abrupt von meinem Stuhl, bemühte mich aber, jede Anspannung aus meiner Stimme herauszuhalten, und aus meinem Gesicht konnte man keine andere Gefühlsregung herauslesen als Mitgefühl.
    Â»Tantchen, es macht mich sehr glücklich, dich in so blendender Stimmung zu sehen. Ja, es war schön, sich an alte Zeiten zu erinnern … doch nun muss ich mich leider verabschieden, denn Durga erwartet mich. Gut, dass ihr mich an meine wahren Pflichten erinnert habt!«
    Ich zwang mich dazu, ihnen beiden einen Abschiedskuss zu geben. Bei der Feindseligkeit, mit der sie mir begegneten, sollten sie sich nicht auch noch daran laben, dass ich mich vor ihnen fürchtete. Gute Miene zum bösen Spiel, ermahnte ich mich voller Ingrimm, während wir kicherten und uns anlächelten und uns gegenseitig versprachen, bald wieder zusammenzukommen. Es war schon erstaunlich, dass selbst der nahe Tod – beziehungsweise eine schreckliche Krankheit wie Krebs – bei manchen Menschen wenig dazu beiträgt, sie ein kleines bisschen demütiger werden zu lassen. Stattdessen schleppen sie weiterhin die Bürde ihrer Feindseligkeit mit sich herum und haben nichts anderes im Sinn, als anderen noch schnell eine vernichtende Niederlage beizubringen, ehe der Tod ihnen seine kalte Hand auf die Schulter legt.
    Ich hätte schon wieder einen Schluck gebrauchen können, aber es war noch früher Vormittag, und ich wusste, dass ich auf mich achtgeben musste. Der gute Ruf zu vieler Amtsträger hing von diesem Fall ab – zweifellos verfolgte man höheren Ortes meine Fortschritte. Noch mehr solcher Begegnungen wie die eben, und ich konnte meine Chancen, Durga zu helfen, für immer begraben.
    Auf dem Weg zum Gefängnis überholte mich Amarjits Wagen mit heulenden Sirenen und eingeschaltetem Blaulicht, obwohl die Straße bis auf mich in meiner Rikscha, einen Ochsenkarren und einen quietschenden, überladenen Autobus, der langsam von einer Seite auf die andere schaukelte wie ein Elefant, dem die Hitze zu sehr zusetzte, beinahe leer war.
    Der Wagen kam mit kreischenden Bremsen vor uns zum Stehen, und einer von Amarjits Untergebenen in schwarzer Uniform, der ihm mit einigen bewaffneten Kollegen in einem Jeep folgte, gab mir mit einem Handzeichen zu verstehen, dass wir ebenfalls anhalten sollten. Ich sagte meinem erschrockenen Rikschakuli, er solle am Straßenrand halten.
    Amarjit kurbelte das abgedunkelte Seitenfenster herunter und schien amüsiert darüber, wie ich mich unter dem Klappverdeck der Rikscha verkroch und verzweifelt versuchte, mich mit meiner Stofftasche vor der grellen Mittagssonne zu schützen. Dann öffnete er die Tür seiner eleganten schwarzen Limousine und lud mich ein, zu ihm einzusteigen. Nach unseren letzten, eher unterkühlten Zusammentreffen tat es mir gut, ein Lächeln auf seinem Gesicht zu sehen.
    Â»Du müsstest dir doch eigentlich einen eigenen Wagen mit Klimaanlage leisten können«, feixte er.
    Â»Ich leide gerne«, erwiderte ich und bestätigte damit meine Reputation als Hofnärrin.
    Â»Ich glaube, mich erinnern zu können, dass dein Vater dir

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