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Die Ueberlebende

Die Ueberlebende

Titel: Die Ueberlebende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kishwar Desai
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herausgehalten. Tut mir leid, wenn ich jetzt so hysterisch klinge, aber ich bin echt nervös – ich wünschte, ich hätte nie mit ihm Kontakt aufgenommen wegen des Briefes, den ich dir schicken wollte etc., und ich habe das Gefühl, dass er ihn gelesen hat. Ich traue keinem von denen drüben in Indien, und ich kann auch dir nicht oft genug sagen, dass du dich vorsehen musst.
    Ach ja, er schrieb auch, dass das mit seinem Visum wahrscheinlich ganz schnell geht, weil Ramnath, der ja auch mit Durgas Fall zu tun hat, ein guter Freund von ihm ist. Das ist das Einzige, was mir etwas Hoffnung macht. Denn wenn er Durga wirklich so sehr mag, wird er Ramnath vielleicht dazu bewegen können, Durga fair zu behandeln.
    Und doch wünschte ich, ich hätte in meinen Mails und meinen Briefen nie etwas von Rahul erwähnt. Du warst die Erste, die erfahren hat, dass er bei mir ist. Vielleicht hat die Polizei das gewusst, aber bisher hat mich noch niemand darauf angesprochen. Jedenfalls hoffe ich, dass ich mir grundlos Sorgen mache. Das Lichterfest steht vor der Tür, und das wird auch hier in Southall gefeiert. Ich werde Rahul ein paar schöne Feuerwerksraketen besorgen. Sieh zu, dass Durga etwas Hübsches anzuziehen hat (Limonengrün ist ihre Lieblingsfarbe), und zünde mit ihr ein Licht an.
    Lass bald von dir hören. Ich zehre von deinen Mails. Alles Liebe von mir, Mandy und Rahul.

12. KAPITEL
    23. September 2007
    Heute war ein seltsamer Tag. Seit du mir das Foto von Sharda gegeben hast, habe ich es mir immer wieder angeschaut und dabei ständig geweint, weil es so viele Erinnerungen an meine Hilflosigkeit zu der Zeit, als es aufgenommen wurde, in mir auslöste. Wie sie da auf dem Bett liegt, ohne Kleider oder etwas zu essen, mit Handschellen und an eine Kette gefesselt, so dass sie sich nicht zu weit fortbewegen kann. Auf dem Foto sieht man aber nichts davon, und man kann auch nicht den Dreck und den Schmutz riechen … So lag sie tagelang herum, in ihre Exkremente mischte sich das Blut ihrer Monatsblutung, das in kleinen Bächen über den Fußboden lief, bis jemand kam, um sie zu säubern. Warum haben sie ihr das angetan? Ihre eigene Familie, ihr eigenes Fleisch und Blut?
    Und warum ist Didi nicht gestorben, obwohl sie doch immer und immer wieder versucht haben, sie verhungern zu lassen oder sie totzuschlagen? Es war nicht nur ihr Geist, der sich nicht brechen lassen wollte, es war auch wegen mir.
    Sie klammerte sich an das Leben, weil sie wusste, dass ich irgendwo da draußen war, und sie wollte unbedingt, dass ich groß werde und etwas aus meinem Leben mache.
    Das hatte sie mir über der Kerzenflamme versprochen, als sie mir die winzige Geisterhand gab. Ich werde immer da sein, sagte sie, mich kriegen die nicht klein.
    Selbst nachdem sie alles vergessen hatte, nach den Elektroschocks und den Schlägen und den Tabletten, von denen sie tagelang schlief, hielt sie irgendwo tief in ihrem Inneren die Erinnerung an mich wach. Sie wollte einfach nicht aufgeben.
    Ebenso wenig, wie ich sie aufgeben konnte. Schon dieser eine kurze Blick, den ich auf sie werfen konnte, sagte mir, dass ich sie irgendwie retten musste … das, was von ihr noch übrig war.
    Heute aber bin ich, die doch sonst so behutsam mit der Erinnerung an Didi umgeht, unvorsichtig gewesen. Die Wärterin hat ihr Foto in der Schokoladenschachtel gefunden. Nach einer Weile kam dann Ramnath Singh zu mir, in seinem tadellos gebügelten Anzug und mit seinem gegelten, zurückgekämmten Haar, und tat so affektiert wie immer.
    Er hat uns sehr oft in dem Haus besucht, hat die Leuchter bewundert, das Kristallglas beäugt und wusste für alles gleich einen Preis zu benennen. Er war es auch, der Jitu und Sanjay darin bestärkt hat, wenn die einen »Hit« wollten. Wie oft habe ich ihn in Jitus Zimmer sitzen und leise auf meinen Bruder einreden sehen, wenn meine Eltern schliefen oder weg waren. Da saß er dann mit seinem Longdrink aus Single Malt Whisky, total entspannt und elegant gekleidet in einem Blazer und grauen Hosen, während Jitu zugedröhnt von Opium oder Marihuana auf dem Bett lag.
    Meine Mutter glaubte, Ramnath Singh hätte einen guten Einfluss auf uns, und er war es auch, an den mein Vater sich wandte, als Sharda schwanger wurde. Vielmehr war es Ramnath selbst, der triumphierend mit der Neuigkeit ins Haus geplatzt kam.
    Ich weiß noch, wie ich aus dem Zimmer gerannt bin, als ich meine

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