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Die Überlebenden der Kerry Dancer

Die Überlebenden der Kerry Dancer

Titel: Die Überlebenden der Kerry Dancer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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geweitet vor Furcht, auf der anderen Gudrun, deren blaue Augen einen Ausdruck der Trauer und Verzweiflung zeigten, der nur allzu genau dem entsprach, was er selbst empfand. Er konnte in ihrem Gesicht keine Furcht entdecken, doch hoch über der Schläfe, dort, wo die Narbe unter dem Haaransatz verschwand, sah er eine rasch und heftig klopfende Ader. Unwillkürlich ließ Nicolson seinen Blick langsam über das Boot gehen. Auf allen Gesichtern begegnete er dem gleichen Ausdruck der Furcht, der Verzweiflung, der Fassungslosigkeit und der Trauer dessen, der verloren hat. Das heißt, nicht auf allen Gesichtern. Sirans Miene war so ausdruckslos wie immer. McKinnons Augen sprangen hin und her, während er den Blick rasch über das Rettungsboot gleiten ließ, hinauf zu dem Kriegsfahrzeug und dann wieder nach unten in das Rettungsboot sah. Vermutlich überlegte er fieberhaft, ob ihnen noch eine letzte selbstmörderische Chance zum Widerstand blieb. Und der Brigadier erschien geradezu unnatürlich unbeeindruckt: er hatte den Arm um die mageren Schultern von Miss Plenderleith gelegt und flüsterte ihr irgend etwas ins Ohr.
    »Eine ergreifende, eine rührende Szene, nicht wahr?« Der japanische Offizier schüttelte in gespieltem Kummer das Haupt. »Ja, meine Freunde, wie trügerisch sind doch menschliche Hoffnungen. Wenn ich Sie so sehe, bricht mir fast das Herz. Fast, sagte ich, doch nicht ganz. Außerdem wird es gleich regnen, und zwar heftig.« Er richtete den Blick auf die schwere Wolkenbank, die von Nordost herankam, und auf den dichten Regenvorhang, der knapp eine halbe Meile entfernt über die dunkelnde See fegte. »Ich habe eine eingefleischte Abneigung dagegen, mich bis auf die Haut naßregnen zu lassen; noch dazu, wenn es gar nicht nötig ist. Ich schlage daher vor –«
    »Irgendwelche weiteren Aufforderungen sind überflüssig. Meinen Sie vielleicht, ich hätte Lust, noch die ganze Nacht in diesem verdammten Boot zu bleiben?« Nicolson fuhr herum, als er die aufgebrachte, dröhnende Stimme hinter sich hörte, und sah Farnholme aufrecht dastehen, eine Hand um den Griff seines schweren Reisekoffers geschlossen.
    »Was – was haben Sie vor?« fragte Nicolson.
    Farnholme sah zu ihm hin, sagte aber nichts. Er lächelte nur, und seine Oberlippe verzog sich unter dem weißen Schnurrbart langsam zu einer vollendeten Geste der Verachtung. Dann hob er den Blick zu dem Offizier, der über ihm an Deck des Torpedoboots stand, und deutete mit dem Daumen auf Nicolson.
    »Falls dieser Narr da versuchen sollte, irgendeinen Unfug anzustellen oder mich irgendwie in meiner Bewegungsfreiheit zu behindern, so schießen Sie ihn nieder.«
    Nicolson starrte ihn an und traute seinen Ohren nicht; dann warf er einen Blick nach oben auf den japanischen Offizier. Dessen Gesicht zeigte keinerlei Fassungslosigkeit, nicht einmal Erstaunen, sondern ganz im Gegenteil ein befriedigtes Grinsen. Jetzt begann er in einer Sprache, die für Nicolson völlig unverständlich war, rasch auf Farnholme einzusprechen, und Farnholme antwortete ihm, wie aus der Pistole geschossen und fließend in derselben Sprache. Noch ehe Nicolson richtig begriffen hatte, was hier geschah, langte Farnholme mit der Hand in seinen Koffer, holte eine Pistole heraus und machte sich auf den Weg zur Bordwand, den Koffer in der einen, die Pistole in der anderen Hand.
    »Dieser freundliche Herr da sagte, wir seien ihm willkommen.« Farnholme sah lächelnd zu Nicolson hinunter. »Ich fürchte, das bezog sich nur auf mich. Wie Sie selbst sehen können, bin ich sogar ein hochwillkommener Gast.« Er wandte sich wieder an den Japaner und sagte: »Sie haben Ihre Sache großartig gemacht. Und entsprechend wird auch Ihr Lohn sein.« Er ging erneut in die fremde Sprache über – zweifellos Japanisch – und diese unverständliche Unterhaltung dauerte fast zwei Minuten. Dann sah er noch einmal zu Nicolson hinunter. Die ersten schweren Tropfen der nahenden Regenböe begannen soeben auf das Deck des Torpedobootes zu klatschen.
    »Mein Freund hier schlägt vor, daß Sie als Gefangene an Bord kommen. Ich habe ihn jedoch davon überzeugt, daß Sie dafür allzu gefährliche Leute seien, und daß man Sie kurzerhand erschießen sollte. Wir begeben uns jetzt unter Deck, um uns in aller Ruhe zu überlegen, wie man am besten mit Ihnen verfährt.« Er wandte sich wiederum an den Japaner und sagte: »Machen Sie das Boot achtern fest. Diese Burschen schrecken vor nichts zurück – es ist in höchstem

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