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Die Überlebenden der Kerry Dancer

Die Überlebenden der Kerry Dancer

Titel: Die Überlebenden der Kerry Dancer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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nicht mehr interessierte Zuschauer, sondern höchst wachsame Posten, die mit einem Ruck ihre Maschinenpistolen nach vorn gebracht hatten und unbeweglich im Anschlag hielten. Auch der Sprecher hielt jetzt in seiner rechten Hand eine Pistole. »Ich fürchte allerdings, daß sich Ihre Freude als sehr viel kurzlebiger erweisen dürfte als unsere. Und ich darf Sie ernstlich bitten, sich nicht zu rühren.«
    Nicolson hatte das Gefühl, als habe er einen Tritt in den Magen bekommen. Seltsam unbeteiligt betrachtete er seine Hand, die nicht mehr locker auf der Bordwand lag, sondern so straff gespannt war, daß die Sehnen auf dem Handrücken hervorsprangen. Und obwohl er eben noch seinen Durst so ausgiebig gelöscht hatte, fühlte sein Mund sich plötzlich so trocken an wie eine Darre. Doch es gelang ihm, seine Stimme einigermaßen fest klingen zu lassen, als er fragte: »Was soll dieser schlechte Witz?«
    »Ich muß Ihnen recht geben.« Der andere verbeugte sich leicht, und jetzt erst erkannte Nicolson die untrügliche Schrägstellung der Augen, an deren Winkeln die Haut sich straffte. »Für Sie ist es allerdings wirklich nicht witzig. Da, sehen Sie.« Er zeigte mit der freien Hand auf den Flaggenmast. Das Sternenbanner war verschwunden, und an seiner Stelle entfaltete sich die Flagge mit der aufgehenden Sonne Japans.
    »Eine unerfreuliche Kriegslist, nicht wahr?« fuhr der Mann fort. Er schien die Situation ausgiebig zu genießen. »Genau wie dieses Boot und, leider, das einigermaßen angelsächsische Aussehen meiner Leute und meiner eigenen Wenigkeit. Obwohl man uns speziell aus letzterem Grund für diese Aufgabe ausgesucht hat, kann ich Ihnen versichern, daß wir darauf nicht sonderlich stolz sind. Das möchte ich nur am Rande bemerkt haben.« Er sprach ein ausgezeichnetes Englisch, mit betont amerikanischem Akzent. Es bereitete ihm ein offensichtliches Vergnügen, sich damit zu produzieren. »Es hat in der letzten Woche allerhand Hitze und Unwetter gegeben, und ich finde es außerordentlich rücksichtsvoll von Ihnen, daß Sie alle diese Strapazen überlebt haben. Wir haben Sie seit langer Zeit erwartet. Sie sind uns sehr willkommen.«
    Er brach plötzlich ab, fletschte die Zähne und richtete den Lauf seiner Pistole auf den Brigadier, der aufgesprungen war – mit einer für einen Mann seines Alters erstaunlichen Schnelligkeit – und mit einer leeren Whiskyflasche ausholte. Der japanische Offizier krümmte unwillkürlich den Finger, der am Abzug lag, machte ihn dann aber langsam wieder lang, als er sah, daß die Flasche nicht ihm gegolten hatte, sondern van Effen, der eine halbe Wendung machte, als er den Schlag kommen sah, doch zu spät den Arm zur Abwehr hob. Die schwere Flasche traf ihn direkt über dem Ohr und ließ ihn über der Ducht zusammenfallen, als ob ihn ein tödlicher Schuß getroffen hätte. Der japanische Offizier starrte Farnholme an.
    »Noch eine solche Bewegung, und Sie leben nicht mehr, alter Mann. Sind Sie wahnsinnig geworden?«
    »Nein, ich nicht, aber dieser hier – und das hätte uns allen das Leben gekostet. Er wollte gerade nach einer Pistole greifen.« Farnholme starrte wütend auf den am Boden liegenden van Effen. »Ich habe zuviel durchgemacht, um jetzt auf so idiotische Weise zu sterben, wo drei Maschinenpistolen auf mich gerichtet sind.«
    »Sie scheinen ein sehr verständiger alter Mann zu sein«, sagte der Offizier geschmeichelt. »Jeder Widerstand wäre in der Tat sinnlos.«
    Es war wirklich nichts zu machen, es gab keinen Ausweg mehr. Nicolson war sich darüber klar, und er fühlte eine ungeheure Bitterkeit in sich aufsteigen, so bitter, daß er sie geradezu schmecken konnte. Er war erbittert, daß sie so viele Gefahren überstanden haben sollten, denen sie wie durch ein Wunder und um den Preis von fünf Menschenleben entronnen waren, und daß dies nun das Ende sein sollte. Hinter seinem Rücken hörte er Peters leises Stimmchen. Als er sich umwandte, sah er den Kleinen hinten im Heck stehen und den japanischen Offizier durch das Gitter seiner verschränkten Finger betrachten, nicht ängstlich, sondern nur scheu und verwundert. Von neuem spürte Nicolson eine Woge von Bitterkeit und wütender Verzweiflung in sich aufsteigen. Für sich allein konnte man sich damit abfinden, daß man verloren hatte, doch durch die Anwesenheit von Peter wurde die Niederlage unerträglich.
    Rechts und links von ihm saßen die beiden Schwestern, auf der einen Seite Lena, die dunklen, samtigen Augen

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