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Die Überlebenden der Kerry Dancer

Die Überlebenden der Kerry Dancer

Titel: Die Überlebenden der Kerry Dancer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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hin. »Bitte, erzählen Sie weiter.«
    »Das ist eigentlich schon alles. Damals, in der Nacht auf der Insel, hatte er am Strand haufenweise japanische Handgranaten gefunden, und vierzehn oder fünfzehn Stück davon hatte er in seinen Koffer gepackt.«
    »In seinen Koffer?« Nicolson klopfte mit der Hand auf den Platz neben sich. »Aber die Handgranaten befanden sich hier drunter, Miss Plenderleith.«
    »Er hatte mehr gefunden, als er Ihnen sagte.« Miss Plenderleith sprach mit sehr leiser Stimme. »Er nahm sie alle mit, als er an Bord ging. Er sprach fließend Japanisch, und es gelang ihm unschwer, dem japanischen Offizier weiszumachen, daß er die Agentenliste von Jan Bekker bei sich habe. Wenn er mit ihm unter Deck ging, um ihm die Listen zu zeigen, wollte er mit der Hand in den Koffer langen, auf die Zündung einer Handgranate drücken und die Hand dort liegen lassen. Er meinte, das Ganze würde nicht länger dauern als vier Sekunden.«
    Es schien kein Mond in dieser Nacht, und auch die Sterne waren nicht zu sehen, nur dunkles, jagendes Gewölk. Stunde um Stunde steuerte Nicolson das Rettungsboot durch die Dunkelheit, peilte über den Daumen und vertraute auf Gott. Die Glasscheibe der Kompaß-Schale war gesprungen, fast der ganze Alkohol hatte sich verflüchtigt, und die Nadel fuhr so unkontrolliert im Kreis herum, daß es ein hoffnungsloses Unternehmen gewesen wäre, in dem schwachen Licht einer Taschenlampe, deren Batterie zu Ende ging, die Richtung ablesen zu wollen. Er richtete sich daher nach dem Wind und versuchte, so zu steuern, daß sie ihn immer von backbord achtern hatten, im Vertrauen darauf, daß der Passat anhielt und nicht etwa umschlug, ja möglichst auch nicht oder nur unwesentlich drehte. Doch auch bei gleichbleibendem Wind war die Sache schwierig genug: durch die Leckstellen in den Planken drang achtern mehr und mehr Wasser ein, das Boot lag mit dem Heck schon ziemlich tief und fiel immer wieder ab nach Süden.
    Je weiter die Nacht vorrückte, desto mehr nahm die unruhige Gespanntheit zu, und die Spannung teilte sich den meisten der anderen Insassen des Bootes mit, von denen in dieser Nacht nur wenige schliefen. Kurz nach Mitternacht konnte Nicolson sich an seinen fünf Fingern ausrechnen, daß es bis zur Sunda-Straße höchstens noch zehn oder zwölf Meilen sein konnten. Mehr bestimmt nicht, wahrscheinlich sogar viel weniger, vielleicht nur noch fünf Meilen. Und er hatte allen Grund, ängstlich und besorgt zu sein. Ihre Karte des östlichen Archipels war vom Salzwasser zerfressen und unbrauchbar geworden. Doch er erinnerte sich nur allzu deutlich an die Klippen, die Riffe und die Untiefen, die der Südostküste von Sumatra vorgelagert waren, konnte sich aber nicht erinnern, wo sie lagen, und er wußte auch nicht, an welcher Stelle sich das Rettungsboot jetzt befand. Möglicherweise hatte er sich sogar in der geographischen Breite so weit verschätzt, daß sie die Sunda-Straße überhaupt verfehlen würden. Die Chance, daß sie sich an einem Riff vor der Küste die Bodenplanken aufschlitzten, schien genauso groß wie die Chance, daran vorbeizukommen; und die Passagiere waren so erschöpft, so krank oder verletzt, daß kaum die Hälfte von ihnen eine Hoffnung hatte, durchzukommen, wenn sie auch nur eine halbe Meile von Land entfernt auf ein Riff liefen. Selbst wenn sie all diesen drohenden Gefahren entgehen sollten, dann stand ihnen immer noch bevor, das Boot durch eine schwere Brandung auf Strand zu setzen.
    Kurz nach zwei Uhr morgens schickte Nicolson den Bootsmann und Vannier vorn zum Bug, um Ausschau zu halten. Von den übrigen erboten sich ein halbes Dutzend freiwillig, aufzustehen und gleichfalls Ausschau zu halten, doch Nicolson befahl ihnen mit kurzen Worten, zu bleiben, wo sie waren und sich möglichst flach unten ins Boot zu legen, um diesem dadurch eine möglichst hohe Stabilität zu geben. Er hätte außerdem hinzufügen können, was er jedoch nicht tat, daß McKinnon mit seinen zwei Augen vermutlich mehr sah als alle anderen zusammen.
    Wieder verging eine halbe Stunde, und plötzlich bemerkte Nicolson, daß irgendeine leichte Veränderung vor sich ging. Die Veränderung selbst war nicht plötzlich, es war die Wahrnehmung dieser Veränderung, die ihn wie ein Schlag traf und mit verzweifelter Anspannung voraus in die Dunkelheit starren ließ. Die lange niedrige Dünung aus Nordwest veränderte sich, sie wurde kürzer und steiler von Minute zu Minute. Doch Nicolson war so müde,

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