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Die Überlebenden der Kerry Dancer

Die Überlebenden der Kerry Dancer

Titel: Die Überlebenden der Kerry Dancer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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körperlich so erschöpft von dem stundenlangen blinden Steuern durch die Nacht, daß er die Veränderung um ein Haar nicht bemerkt hätte. Und dabei war der Wind unverändert, weder stärker noch schwächer, als er die ganzen letzten Stunden gewesen war.
    »McKinnon!« rief Nicolson mit rauher Stimme, und so laut, daß ein halbes Dutzend Leute erschrocken mit dem Oberkörper hochkamen. »Wir laufen auf eine Untiefe zu!«
    »Jawohl, Sir, das glaube ich auch.« Die Stimme des Bootsmanns, deutlich zu hören gegen den Wind, klang nicht sonderlich beunruhigt. Er stand aufrecht auf der Mastducht an Backbordseite, hielt sich mit der Hand am Mast fest und hatte die andere über die Augen gelegt, während er voraus in die Nacht starrte.
    »Können Sie irgend etwas sehen?«
    »Nicht das geringste«, rief McKinnon zurück. »Verdammt dunkel heute nacht, Sir.«
    »Halten Sie weiter Ausschau. Vannier?«
    »Sir?« Die Stimme klang aufgeregt, aber den Umständen nach ziemlich fest. Vannier, der vor knapp zwölf Stunden kurz vorm Zusammenbrechen gewesen war, hatte sich erstaunlich erholt und schien lebendiger und energischer zu sein als irgendeiner der anderen.
    »Holen Sie das Luggersegel herunter! So schnell Sie können. Nicht zusammenlegen – dazu ist keine Zeit. Van Effen, Gordon, helfen Sie ihm dabei.« Das Rettungsboot fing in der immer kürzer werdenden See heftig zu stampfen an. »Schon was zu sehen, Bootsmann?«
    »Nein, Sir, nichts.«
    »Schneiden Sie Siran los. Und seine beiden Leute. Sagen Sie ihnen, sie sollen nach achtern kommen.« Er wartete eine halbe Minute, bis die drei Männer mit unsicheren Schritten angestampft kamen. »Siran, Sie und Ihre beiden Leute nehmen sich jeder einen Riemen. Und Sie auch einen, Gordon. Sobald ich es sage, bringen Sie die Riemen aus und fangen an zu pullen.«
    »Nicht heute nacht, Mister Nicolson.«
    »Wie?«
    »Sie haben gehört, was ich sagte. Ich sagte: nicht heute nacht.« Der Ton war kühl und unverschämt. »Ich habe kein Gefühl in den Händen. Und ich muß gestehen, daß ich mich nicht zur Mitarbeit aufgelegt fühle.«
    »Reden Sie keinen solchen Unsinn, Siran. Unser Leben hängt davon ab.«
    »Das meine nicht.« Nicolson konnte in der Dunkelheit Sirans Gebiß schimmern sehen. »Ich bin ein ausgezeichneter Schwimmer, Mister Nicolson.«
    »Sie haben auf der Kerry Dancer vierzig Menschen zurückgelassen und dem sicheren Tod preisgegeben, nicht wahr, Siran?« fragte Nicolson beiläufig. Er entsicherte den Colt, und das Geräusch war in dem plötzlichen Schweigen unnatürlich laut zu hören. Es verging eine Sekunde, eine zweite, eine dritte, dann langte Siran nach einem Riemen und brummte seinen Leuten einen Befehl zu.
    »Besten Dank«, sagte Nicolson leise. Laut sagte er: »Hören Sie bitte alle zu. Ich nehme an, wir nähern uns der Küste. Es besteht die Möglichkeit, daß vor der Küste Klippen oder Riffe sind, oder daß wir in eine heftige Brandung laufen. Es wäre möglich, daß das Boot aufläuft oder kentert – das ist nicht wahrscheinlich, aber immerhin möglich.« Es wäre ein glattes Wunder, wenn es nicht so käme, mußte er denken. »Sollten Sie plötzlich im Wasser sein, dann bleiben Sie bitte beieinander. Halten Sie sich fest am Boot, an den Riemen, den Rettungsgürteln oder sonst an irgend etwas, das schwimmt. Vor allem, was auch geschieht, bleiben Sie beieinander. Haben Sie alle verstanden?« Es ertönte ein leises zustimmendes Gemurmel. Nicolson machte seine Taschenlampe an und ließ ihren Schein im Boot herumgehen. Soweit er das in dem matten, gelben Licht sehen konnte, waren alle wach, und selbst ihre aufgeweichte, formlose Kleidung konnte nicht über die Angespanntheit ihrer Haltung täuschen. Er machte die Taschenlampe rasch wieder aus. Wenn ihr Licht auch schwach war, so verengten sich seine Pupillen dadurch doch so weit, daß sein Sehvermögen in der Dunkelheit darunter litt.
    »Noch immer nichts zu sehen, Bootsmann?« rief er.
    »Nein, Sir, überhaupt nichts. Es ist schwarz wie die – Moment mal!« Er stand unbeweglich da, die eine Hand am Mast, hatte den Kopf zur Seite geneigt und sagte nichts.
    »Was ist los, Mann?« brüllte Nicolson. »Was können Sie sehen?«
    »Brecher!« rief McKinnon. »Brecher oder Brandung. Ich kann es hören.«
    »Wo?«
    »Voraus. Ich kann es noch nicht sehen.« McKinnon machte eine Pause und sagte dann: »Steuerbord, scheint mir.«
    »Klüversegel kappen!« befahl Nicolson. »Mast herunter, Vannier.« Er drückte die Pinne

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