Die Überlebenden der Kerry Dancer
vorn und zog mit einem Ruck das Schwert aus der Scheide. Es leuchtete einmal kurz auf in dem hellen Licht der Öllampen, dann durchschnitt seine scharfe Schneide die dicke Leinwand des Kofferfutters, als ob sie aus Papier wäre. Und dann verging das Glanzlicht des Schwertes, verging und wurde ausgelöscht durch das blendende, strahlende Geflimmer, das sich als Strom aus dem Koffer ergoß und auf den Brettern der Tribüne einen blitzenden Kegel strahlenden Gefunkels bildete.
»Miss Plenderleith scheint eine ausgesprochene Vorliebe für glitzernde Steine zu haben.« Van Effen lächelte freundlich und deutete beiläufig mit der Fußspitze auf das funkensprühende Häufchen zu seinen Füßen. »Diamanten, Mister Nicolson, lauter echte Diamanten. Die bedeutendste Kollektion, möchte ich annehmen, die man jemals außerhalb der südafrikanischen Union gesehen hat. Der Wert dieser Steine beläuft sich schätzungsweise auf annähernd zwei Millionen Pfund.«
Vierzehntes Kapitel
V an Effens leise Stimme verging, und das Schweigen im Raum war tief und lastend. Die Männer und Frauen, die auf dem Boden hockten, saßen da, als ob es die anderen überhaupt nicht gäbe. So ausschließlich wäre ihre Aufmerksamkeit auf den funkelnden Haufen der Diamanten gerichtet, der vor ihnen lag, mir barbarischer Leuchtkraft glitzernd und funkensprühend im Licht der flackernden Öllampen. Alle Augen starrten darauf wie gebannt, wie in einer unheimlichen Hypnose. Schließlich bewegte sich Nicolson und hob den Blick zu van Effen. Sonderbar, aber er konnte diesem Mann gegenüber keine Bitterkeit empfinden, keinerlei Feindlichkeit. Dazu hatten sie allzuviel gemeinsam durchgemacht und überstanden, und van Effen hatte es besser überstanden als die meisten der anderen, war immer selbstlos, ausdauernd und hilfsbereit geblieben. Die Erinnerung daran war noch zu frisch, als daß sie hätte ausgelöscht werden können.
»Zweifellos Borneo-Diamanten«, sagte er leise. »An Bord der Kerry Dancer von Banjarmasin gekommen – kann gar nicht anders gewesen sein. Vermutlich ungeschliffen – und Sie sagen, sie hätten einen Wert von zwei Millionen?«
»Teils ungeschliffen, teils roh geschliffen«, sagte van Effen. »Und der normale Marktwert ist mindestens soviel – hundert Jagdflieger oder zwei Zerstörer, was weiß ich. Doch im Krieg sind diese Steine für jeden der beiden Gegner, der sie in die Hand bekommt, noch unendlich viel mehr wert.« Auf seinem Gesicht erschien ein schwaches Lächeln. »Keiner dieser Steine wird jemals die Hand einer Schönen zieren. Sie werden ausschließlich Verwendung finden in der Kriegsindustrie – zur Bestückung von Schleifwerkzeugen. Wirklich ein Jammer, nicht wahr?«
Niemand sagte etwas, niemand schenkte dem Sprecher auch nur einen Blick. Sie hörten, was er sagte, doch die Worte drangen nicht in ihr Bewußtsein, denn in diesem Augenblick waren sie alle nichts als Auge. Doch dann machte van Effen einen raschen Schritt nach vorn und stieß mit dem Fuß gegen die Diamanten, daß sie sich in einer glitzernden Kaskade über den Fußboden ergossen.
»Tand! Flitterkram!« sagte van Effen, und seine Stimme klang hart und verächtlich. »Welchen Wert haben alle Diamanten, alle kostbaren Steine, die es jemals gab, in einem Augenblick, da sich die großen Nationen dieser Welt gegenseitig an der Gurgel gepackt halten und die Männer zu Tausenden, zu Hunderttausenden sterben? Für sämtliche Diamanten Indiens würde ich nicht ein einziges Leben geben, nicht einmal das Leben eines Feindes. Doch ich habe viele Menschenleben geopfert, und ich habe, leider, noch sehr viel mehr Menschen in tödliche Gefahr gebracht auf der Jagd nach einem anderen Schatz, einem Schatz, der unendlich mehr wert ist als diese paar schäbigen Steine, die da vor Ihren Füßen liegen. Doch was kommt es auf das Leben einiger weniger an, wenn man dadurch, daß man sie opfert, das Leben vieler Tausender retten kann?«
»Wir sind uns alle darüber klar, was für ein großartiger Ehrenmann Sie sind«, sagte Nicolson bitter. »Verschonen Sie uns mit weiteren Einleitungen, und kommen Sie endlich zur Sache.«
»Ich bin bereits bei dem angekommen, worum es sich handelt«, sagte van Effen gleichmütig. »Dieser sehr viel wertvollere Schatz, von dem ich sprach, befindet sich hier in diesem Raum, unter uns. Ich habe nicht die Absicht, Sie länger auf die Folter zu spannen, und ich bin auch nicht begierig auf einen dramatischen Effekt.« Er streckte die Hand aus
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