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Die Überlebenden der Kerry Dancer

Die Überlebenden der Kerry Dancer

Titel: Die Überlebenden der Kerry Dancer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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sich eigentlich klar darüber, Korporal, daß mittlerweile der nächste sichere Ort, den Sie erreichen könnten, Australien wäre – oder Indien?«
    »Jawohl, Sir.« Der Gesichtsausdruck des kleinen Mannes zeigte keinerlei Veränderung.
    »Gott steh mir bei.« Es war Farnholme, der endlich sprach, und seine Stimme klang, als sei er leicht betäubt. »Sie waren allen Ernstes entschlossen, in einem Ruderboot loszufahren, und das mit diesen – diesen –« Er deutete auf die Reihe der geduldig wartenden, kranken Männer, unfähig, weiterzusprechen.
    »Aber sicher«, sagte Fraser ungerührt. »Ich habe schließlich einen Auftrag auszuführen.«
    »Mein Gott – mir scheint, Korporal, Sie geben nicht so leicht auf, wie?« Farnholme starrte ihn ungläubig an. »In einem japanischen Gefangenenlager wären Ihre Chancen hundertmal größer gewesen. Sie können Ihrem guten Stern danken, daß es in Singapur kein Boot mehr gibt.«
    »Kann sein, kann auch nicht sein«, sagte der Korporal ungerührt. »Jedenfalls liegt da draußen auf Reede ein Schiff vor Anker.« Er sah zu Parker hin. »Ich überlegte mir grade, wie ich zu diesem Schiff hinkommen könnte, als Ihre Männer ankamen, Sir.«
    »Was!« Farnholme kam einen Schritt nach vorn und faßte den Korporal an seiner heilen Schulter. »Da draußen liegt ein Schiff? Mann, sind Sie sicher?«
    »Sicher bin ich sicher.« Fraser machte seine Schulter frei. »Ich hörte, wie es Anker warf, vor noch nicht zehn Minuten.«
    »Wieso wissen Sie das so genau?« fragte Farnholme. »Vielleicht hat das Schiff den Anker auch gelichtet und –«
    »Hören Sie mal zu, mein Lieber«, unterbrach ihn Fraser. »Ich sehe vielleicht doof aus, und vielleicht bin ich es auch, aber so doof bin ich nun doch nicht, daß ich nicht den Unterschied zwischen –«
    »Schon gut, Korporal, das genügt!« fiel ihm Parker hastig ins Wort. »Und wo liegt dieses Schiff vor Anker?«
    »Draußen hinter den Kai-Anlagen, Sir. Ungefähr eine Meile von Land, würde ich sagen. Ist allerdings nicht ganz leicht, es so genau zu schätzen – da draußen ist immer noch allerhand Rauch.«
    »Außerhalb der Kai-Anlagen – vor dem Keppel-Hafen?«
    »Nein, Sir. In die Gegend sind wir heute nacht gar nicht gekommen. Nur etwa eine Meile von hier – gleich hinter Malay-Point.«
    Trotz der Dunkelheit brauchten sie nicht lange für den Weg – höchstens fünfzehn Minuten. Einige von Parkers Männern hatten die Tragbahren übernommen, und die anderen halfen den marschfähigen Verwundeten. Außerdem waren jetzt alle, Männer und Frauen, Verwundete und Nichtverwundete, von dem gleichen Gefühl höchster Dringlichkeit erfüllt. Unter normalen Umständen hätte keiner von ihnen viel Hoffnung investiert in etwas so Vages wie das Rasseln einer Kette, das vielleicht, vielleicht aber auch nicht, von einem Anker herrührte, der ausgeworfen wurde. Doch so stark wirkte das Erlebnis des unaufhaltsamen Rückzuges, der pausenlosen Verluste der letzten Wochen in ihnen nach, so fest hatten sie damit gerechnet, noch vor dem Ende des kommenden Tages in Gefangenschaft zu geraten, Gefangenschaft und wer weiß wie viele Jahre der Vergessenheit, so vollständig war ihre Hoffnungslosigkeit gewesen, daß selbst dieser winzige Hoffnungsschimmer in der tiefen Finsternis ihrer Verzweiflung zu einem leuchtenden Richtstrahl wurde. Doch auch so überstieg der Wille der Verwundeten und Kranken ihre körperlichen Kräfte bei weitem, und die meisten waren, als Korporal Fraser halt machte, völlig am Ende, außer Atem und froh, sich an die Kameraden klammern zu können, die sie stützten.
    »Hier, Sir«, sagte Fraser. »Hier ungefähr habe ich es gehört.«
    »Aus welcher Richtung?« fragte Farnholme. Er sah dorthin, wohin der Lauf der Maschinenpistole des Korporals zeigte, konnte aber nichts sehen; wie Fraser gesagt hatte, lag noch Rauch über dem dunklen Wasser … Er bemerkte, daß Parker unmittelbar hinter ihm stand, den Mund dicht an seinem Ohr.
    »Blinken?« Farnholme konnte das leise Flüstern des Leutnants eben noch hören. Einen Augenblick lang war er unschlüssig, doch nur einen Augenblick: sie hatten nichts zu verlieren. Parker, der das zustimmende Nicken mehr ahnte als sah, wandte sich an seinen Sergeanten.
    »Nehmen Sie Ihre Taschenlampe, Sergeant, und geben Sie dort hinaus Blinkzeichen, solange, bis Sie Antwort bekommen, oder bis wir etwas herankommen sehen oder hören. Zwei oder drei Mann suchen die Kai-Anlagen ab – vielleicht entdeckt

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