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Die Überlebenden der Kerry Dancer

Die Überlebenden der Kerry Dancer

Titel: Die Überlebenden der Kerry Dancer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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Ihr irgendein Boot.«
    Fünf Minuten vergingen, zehn Minuten. Die Taschenlampe des Sergeanten ging pausenlos an und aus, doch nichts kam auf dem dunklen Wasser heran. Nach weiteren fünf Minuten kamen die Männer zurück, die die Kai-Anlagen abgesucht hatten, und meldeten, daß sie nichts gefunden hätten. Und wieder vergingen fünf Minuten, Minuten, in denen aus dem sanften Regen ein Wolkenbruch wurde, der auf den Asphalt prasselte, daß das Wasser hochspritzte – bis sich endlich Korporal Fraser räusperte.
    »Ich höre was 'rankommen«, sagte er beiläufig.
    »Was denn? Wo denn?« rief Farnholme.
    »Irgendein Ruderboot. Ich höre die Riemen. Kommt genau auf uns zu, scheint mir.«
    »Sind Sie sicher?« Farnholme versuchte angestrengt, durch das laute Geräusch des Regens, der trommelnd auf die Straße schlug und die Oberfläche des Wassers zischend zu weißem Schaum quirlte, etwas zu hören. »Sind Sie sicher, Mann?« wiederholte er. »Ich höre überhaupt nichts.«
    »Doch, ich bin sicher. Habe es ganz deutlich gehört.«
    »Er hat recht!« Es war die Stimme des stämmigen Sergeanten, und sie klang aufgeregt. »Wahrhaftig, er hat recht, Sir. Jetzt höre ich es auch!«
    Bald konnte es jeder hören, das Ächzen der Riemen, die sich knirschend in den Dollen drehten. Die gespannte Erwartung, die durch Frasers erste Worte geweckt worden war, löste sich in einer spürbaren Woge unbeschreiblicher Erleichterung, und alle fingen an, leise und aufgeregt durcheinanderzureden. Leutnant Parker benutzte die Gelegenheit, sich Farnholme unauffällig zu nähern.
    »Was soll mit den anderen werden – den Krankenschwestern und den Verwundeten?«
    »Sollen mitkommen, Parker – wenn sie wollen. Unsere Aussichten sind sehr gering. Machen Sie das den Leuten klar – und machen Sie ihnen klar, daß sie selbst ihre Wahl treffen müssen. Und dann sagen Sie ihnen, sie sollten sich still verhalten und von der Kaimauer zurückgehen, damit man sie nicht sieht. Ganz gleich, wer da ankommt – aber es muß ja das Beiboot von der Kerry Dancer sein –, jedenfalls wollen wir die Leute nicht verscheuchen. Sobald Sie das Boot an der Kaimauer scheuern hören, kommen Sie nach vorn und übernehmen das Kommando.«
    Parker nickte und ging. Mit leiser und eindringlicher Stimme verschaffte er sich in dem allgemeinen Palaver Gehör.
    »Tragbahren aufnehmen. Alles zurück auf die andere Seite der Straße – und ruhig verhalten. Sehr ruhig, wenn einer von euch jemals wieder nach Hause kommen will. Korporal Fraser?«
    »Sir?«
    »Wie steht es mit Ihnen und Ihren Männern – wollen Sie mit uns mitkommen? Wenn wir an Bord dieses Schiffes gehen, so ist die Wahrscheinlichkeit, daß wir innerhalb der nächsten zwölf Stunden versenkt werden, außerordentlich groß. Darauf muß ich Sie aufmerksam machen.«
    »Ich verstehe, Sir.«
    »Sie wollen also mitkommen?«
    »Jawohl, Sir.«
    »Und die andern? Haben Sie die gefragt?«
    »Nein, Sir.« Der beleidigte Ton des Korporals ließ keinerlei Zweifel an seiner Verachtung für solche lächerlich demokratischen Prozeduren in der modernen Armee, und Farnholme grinste in der Dunkelheit. »Die kommen auch mit, Sir.«
    »Also gut. Die Verantwortung liegt bei Ihnen. Miss Drachmann?«
    »Ich komme mit, Sir«, sagte sie schlicht. Sie hob mit seltsamer Gebärde die linke Hand an ihr Gesicht. »Selbstverständlich komme ich mit.«
    »Und die andern?«
    »Wir haben die Frage besprochen.« Sie zeigte auf die junge Malaiin an ihrer Seite. »Lena hier möchte auch mitkommen. Den drei anderen ist es ziemlich gleichgültig, was aus ihnen wird. Eine Folge des Schocks, Sir – unser Wagen wurde heute nacht von einer Granate getroffen. Ich denke aber, es ist besser, wenn sie mitkommen.«
    Parker wollte gerade antworten, doch Farnholme bedeutete ihm durch eine Geste, zu schweigen, nahm die Taschenlampe des Sergeanten und ging vor an den Rand der Kaimauer. In dem Lichtkegel, den die Lampe auf das Wasser warf, war das Boot jetzt als undeutlicher Umriß zu erkennen, knapp hundert Meter vom Kai entfernt. Farnholme, der durch den strömenden Regen spähte, konnte sehen, wie das Wasser weißlich aufschäumte, als jetzt ein Mann, der hinten im Heck stand, ein Kommando gab, und die Matrosen die Riemen eintauchten und kräftig gegenhielten, bis das Boot zum Halten kam und lautlos und regungslos dalag, ein verschwommener Schatten in der Dunkelheit.
    »Seid ihr von der Kerry Dancer?« rief Farnholme.
    »Ja.« Deutlich drang die tiefe

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