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Die Überlebenden der Kerry Dancer

Die Überlebenden der Kerry Dancer

Titel: Die Überlebenden der Kerry Dancer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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verlegte – Schußwaffen, Opium, Perlen, Diamanten, und das wenigste davon legaler Herkunft. Und nebenbei betrieben sie noch ein bißchen Seeräuberei.«
    »Dann braucht man also der Kerry Dancer keine Träne nachzuweinen?«
    »Nein, Mister Nicolson, kein Grund zur Trauer. Unser Kurs ist 130, und wir behalten ihn bei.« Kapitän Findhorn ging durch den Windfang hinaus nach Backbordseite. Der Zwischenfall war erledigt.
    »Käpt'n!«
    Findhorn blieb stehen, drehte sich ohne Eile um und sah neugierig zu Evans hin. Evans war der diensthabende Rudergänger, dunkel, drahtig, mit magerem Gesicht und vom Kautabak verfärbten Zähnen. Seine Hände lagen locker auf dem Steuerrad, und sein Blick ging unverwandt voraus.
    »Haben Sie was auf dem Herzen, Evans?«
    »Ja, Sir. Die Kerry Dancer lag heute nacht in Singapur auf Reede.« Evans warf ihm einen kurzen Blick zu und sah dann wieder starr nach vorn. »Ein Schiff mit dem blauen Wimpel, Sir.«
    »Was?« Mit Findhorns Gleichmut war es vorbei. »Ein Regierungsschiff? Haben Sie das Schiff gesehen?«
    »Ich nicht, Sir. Der Bootsmann hat es gesehen – nehme ich an. Jedenfalls hörte ich, wie er letzte Nacht davon erzählte – kurz nachdem Sie von Land zurückgekommen waren.«
    »Sind Sie Ihrer Sache ganz sicher, Mann? Hat er das wirklich gesagt?«
    »Jawohl, Käpt'n, Irrtum ausgeschlossen.« Die hohe Stimme des Rudergängers klang sehr entschieden.
    »Der Bootsmann soll sofort herkommen!« befahl Findhorn. Er ging hinüber zu seinem Stuhl, setzte sich, lehnte sich locker und entspannt zurück und dachte an die letzte Nacht. Er erinnerte sich, wie überrascht – und zugleich erleichtert – er gewesen war, als er von Bord ging und als Besatzung des Motorbootes, das ihn an Land bringen sollte, den Bootsmann und den Schiffszimmermann vorgefunden hatte; und wie überrascht und erleichtert er gewesen war, als er die Kolben von zwei kurzen Lee-Enfield-Gewehren entdeckt hatte, die unter einem achtlos darübergeworfenen Stück Segeltuch hervorsahen. Er hatte nichts dazu gesagt. Er erinnerte sich an das Geräusch des Artilleriefeuers, das aus der Ferne zu hören gewesen war, an den Rauch, der vom letzten Fliegerangriff her schwarz und dicht über Singapur lag – die japanischen Bomber erschienen jeden Morgen mit solcher Pünktlichkeit über der Stadt, daß man die Uhr danach stellen konnte – und an die unnatürliche, unheimliche Stille, die über Stadt und Hafen gelegen hatte. Die Reede war leer gewesen, so verlassen, wie er sie noch nie gesehen hatte, und er konnte sich nicht daran erinnern, die Kerry Dancer oder irgendein anderes Schiff mit dem blauen Wimpel gesehen zu haben, während sie zum Kai fuhren. Es war zu dunkel gewesen, und er hatte zuviel anderes im Kopf gehabt. Und noch mehr Sorgen hatte er gehabt, als sie dann wieder hinausfuhren zum Schiff. Denn man hatte ihm mitgeteilt, daß die Ölinseln von Poko Bukum, Pulo Sambo und Pulo Sebarok hochgegangen waren oder demnächst hochgehen würden – inwieweit das stimmte, hatte er selbst nicht feststellen können, weil der dichte Rauch die Sicht versperrte. Die letzten Marine-Einheiten hatten Singapur verlassen, und es war niemand mehr da, der ihm sein Dieselöl hätte abnehmen können. Und ebensowenig sein Flugzeugbenzin – die Catalinas waren fort, und die einzigen Jagdflieger und Torpedobomber, die dageblieben waren, standen als ausgebrannte Gerippe auf dem Flugplatz Selengar. Da saß er nun mit 10.400 Tonnen hochexplosivem Treibstoff, gefangen wie in einer Mausefalle im Hafen von Singapur, und –
    »McKinnon, Sir. Sie hatten mich rufen lassen.« Zwanzig Jahre, in denen McKinnon kein Fahrwassser und keinen Hafen der Welt ausgelassen hatte, hatten aus dem ungehobelten, schüchternen und unerfahrenen Jungen von der Insel Lewis einen Mann gemacht, dessen Name auf den rund sechzig Schiffen der Britisch-Arabischen Tankerreederei gleichbedeutend war mit Schlauheit, Zähigkeit und einer Fähigkeit, die jeder Lage gewachsen war – doch an seinem bedächtigen schottischen Dialekt hatten sie nicht das mindeste verändert. »Wegen der Kerry Dancer?«
    Findhorn nickte, sagte jedoch nichts, sondern fuhr fort, den dunkelhaarigen, stämmigen Mann anzusehen, der vor ihm stand. Kommodore zu sein, mußte er dabei denken, ironisch und ein wenig sprunghaft, hat doch gewisse Vorteile. Den besten Ersten Offizier, und dazu auch noch den besten Bootsmann der gesamten Reederei …
    »Ich habe gestern abend das Beiboot der Kerry Dancer

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