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Die Überlebenden der Kerry Dancer

Die Überlebenden der Kerry Dancer

Titel: Die Überlebenden der Kerry Dancer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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eine Sekunde lang schweigend an, eine lange Sekunde, langte dann nach dem Hörer und drehte an der Kurbel. Kapitän Findhorn winkte Vannier zu sich heran und wartete, bis der Junge, der mit zögernden Schritten quer durch das Ruderhaus ging, bei ihm in seiner Ecke angekommen war.
    »Sie hätten fragen sollen, das wissen Sie doch«, sagte der Kapitän freundlich. »Warum haben Sie es nicht getan?«
    »Ich hielt es nicht für notwendig, Sir«, sagte Vannier unbehaglich, in die Defensive gedrängt. »Es ist das vierte SOS heute. Sie – Sie haben die anderen Funksprüche auch unbeachtet gelassen, daher nahm ich an –«
    »Das stimmt schon«, sagte Findhorn. »Es kommt aber immer darauf an, was wichtiger ist, mein Junge. Ich habe nicht die Absicht, ein wertvolles Schiff, eine unbezahlbare Ladung und das Leben von fünfzig Mann aufs Spiel zu setzen für die eventuelle Chance, einige Überlebende eines kleinen Küstendampfers aufzufischen. Hier aber handelt es sich vielleicht um einen Truppentransporter oder einen Kreuzer. Ich weiß, es ist nicht so, aber es hätte sein können. Und die Position des Schiffes hätte möglicherweise so sein können, daß wir in der Lage gewesen wären zu helfen, ohne uns selbst allzusehr zu gefährden. Lauter sehr unwahrscheinliche Voraussetzungen, aber wir müssen wissen, wo das Schiff sich befindet und um was für ein Schiff es sich handelt, ehe wir eine Entscheidung treffen können.« Findhorn sah den jungen Offizier lächelnd an und deutete auf die goldgeränderten Epauletten auf seinen Schultern. »Sie wissen doch, was das da zu bedeuten hat?«
    »Daß die Entscheidung bei Ihnen liegt«, sagte Vannier steif. »Ich bitte um Entschuldigung, Sir.«
    »Schwamm drüber, mein Junge. Aber eins sollten Sie nicht vergessen – Mister Nicolson gelegentlich mit ›Sir‹ anzureden. Das ist – hm – es wird erwartet.«
    Vannier wurde rot. »Bitte nochmals um Verzeihung, Sir. Ich vergesse es sonst nie. Aber ich bin – na ja, ich glaube, ich bin eben ein bißchen übermüdet und gereizt, Sir.«
    »Das sind wir alle«, sagte Findhorn mit ruhiger Stimme. »Und nicht nur ein bißchen. Doch Mister Nicolson ist das nicht – er ist es nie.« Dann sagte er laut: »Nun, Mister Nicolson?«
    Nicolson hängte den Hörer auf und wandte sich um.
    »Fliegerangriff, Schiff in Brand, möglicherweise sinkend«, sagte er kurz. »Position 0.45 Nord, 104.24 Ost. Das wäre also die südliche Einfahrt zum Rhio-Kanal. Name des Fahrzeugs zweifelhaft. Walters sagt, der Spruch sei zunächst sehr schnell und sehr deutlich durchgekommen, dann aber rasch schlechter geworden und schließlich nur noch Unsinn gewesen. Er nimmt an, daß der Funker schwer verletzt war und zum Schluß über seinem Tisch und der Morsetaste zusammengebrochen ist, denn als letztes kam ein Dauerzeichen – es kommt auch jetzt noch. Der Name des Schiffes war, soweit Walters daraus schlau werden konnte, Kenny Danke.«
    »Nie gehört. Sonderbar, daß er nicht das internationale Kennzeichen gefunkt hat. Jedenfalls nichts Großes. Oder sagt Ihnen der Name irgend etwas.«
    »Nicht das geringste, Sir.« Nicolson schüttelte den Kopf und wandte sich dann an Vannier. »Sehen Sie trotzdem mal im Register nach, bitte. Sehen Sie mal unter K. Der Name ist offenbar falsch.« Er machte eine kurze Pause, seine kalten, blauen Augen hatten einen abwesenden Ausdruck, dann wandte er sich erneut an Vannier. »Sehen Sie nach unter Kerry Dancer. Das wird es wohl sein, nehme ich an.«
    Vannier überflog die Seiten. Findhorn sah seinen Ersten Offizier fragend an, mit leicht gehobenen Augenbrauen.
    Nicolson zuckte die Schultern. »Eine Möglichkeit, Sir, und es ergibt einen Sinn. N und R sind sich im Morse-Alphabet sehr ähnlich, und C und K gleichfalls. Ein Verwundeter kann sie mit Leichtigkeit verwechseln – selbst ein geübter Funker. Wenn er schwer verletzt ist.«
    »Sie haben recht, Sir.« Vannier strich eine Seite des Schiffsverzeichnisses glatt. »Die Kerry Dancer, 540 Tonnen, ist tatsächlich hier verzeichnet. Clyde, 1922. Reederei ist die Sulaimiya Trading Company –«
    »Kenne ich«, unterbrach ihn Findhorn. »Eine arabische Firma, mit chinesischem Kapital im Hintergrund, Sitz in Macassar. Die Reederei hat sieben oder acht von diesen kleinen Dampfern. Vor zwanzig Jahren besaßen sie nur ein paar Dschunken – damals ungefähr muß es gewesen sein, daß die Firma das legitime Handelsgeschäft als unrentabel aufgab und sich auf die besseren Sachen

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