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Die Überlebenden der Kerry Dancer

Die Überlebenden der Kerry Dancer

Titel: Die Überlebenden der Kerry Dancer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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gesehen, Sir«, sagte McKinnon bedächtig. »Das Schiff ist vor uns ausgelaufen, mit einer vollen Ladung Passagiere.« Er sah den Kapitän bedeutsam an. »Ein Lazarettschiff, Käpt'n.«
    Findhorn kam aus seinem Stuhl hoch und stand vor McKinnon, bewegungslos. Die beiden Männer waren von gleicher Größe, Auge in Auge. Auch von den anderen bewegte sich niemand. Es war, als scheute sich jeder, die völlige Lautlosigkeit zu unterbrechen, die plötzlich auf der Brücke herrschte. Die Viroma fiel einen Strich vom Kurs ab, dann zwei Striche und schließlich drei, ohne daß Evans eine Hand rührte, um es zu verhindern.
    »Ein Lazarettschiff«, wiederholte Findhorn mit tonloser Stimme. »Ein Lazarettschiff, Bootsmann? Aber die Kerry Dancer ist ja nur ein kleiner Tramp-Dampfer, der von Insel zu Insel fährt – kaum mehr als 500 Tonnen.«
    »Das stimmt. Aber man hat sie requiriert, Sir. Ich sprach mit einigen der Verwundeten, während ich mit Ferris am Kai auf Sie wartete. Man hat den Kapitän vor die Wahl gestellt, sein Schiff zu verlieren oder damit nach Darwin zu fahren. An Bord befindet sich ein Zug Infanterie, um dafür zu sorgen, daß er das auch tut.«
    »Weiter.«
    »Das ist alles, Sir. Kurz bevor Sie zurückkamen, wurde der zweite Schwung mit dem Beiboot 'rausgebracht – die meisten Verwundeten konnten gehen, aber da waren auch ein paar, die auf Tragbahren lagen. Außerdem waren, glaube ich, fünf oder sechs Krankenschwestern dabei, keine britischen übrigens, und ein kleiner Junge.«
    »Frauen, Kinder, Kranke und Verwundete – und die bringt man auf so einen schwimmenden Sarg der Sulaimiya-Company – und überall hier in der Gegend wimmelt es von japanischen Flugzeugen.« Findhorn fluchte, ruhig aber kräftig. »Ich möchte wirklich wissen, welcher Hornochse in Singapur diesen genialen Einfall gehabt hat.«
    »Das weiß ich nicht«, sagte McKinnon völlig ernsthaft.
    Findhorn warf ihm einen scharfen Blick zu und sah dann wieder fort. »Meine Frage war rein theoretisch, McKinnon«, sagte er kühl. Dann wurde seine Stimme fast um eine Oktave tiefer, und er sprach ruhig und nachdenklich weiter, ohne dabei das Wort an einen der Anwesenden zu richten, wie jemand, der laut denkt und dem das, was er denkt, keineswegs behagt.
    »Wenn wir jetzt auf nördlichen Kurs gehen, dann sind unsere Chancen, bis zum Rhio-Kanal und wieder zurückzukommen, mehr als gering; sie sind praktisch gleich Null. Wir wollen uns da nichts vormachen. Möglicherweise ist es eine Falle – wahrscheinlich sogar; die Kerry Dancer ist früher losgefahren als wir und müßte danach schon vor sechs Stunden den Rhio-Kanal passiert haben. Und falls es keine Falle ist, dann ist die Kerry Dancer aller Wahrscheinlichkeit nach in diesem Augenblick am Absaufen oder bereits gesunken. Und selbst wenn sie noch schwimmen sollte, so werden Passagiere und Mannschaft durch das Feuer gezwungen gewesen sein, das Schiff zu verlassen. Wenn sie einfach im Wasser schwimmen – größtenteils Verwundete –, dann werden nach Verlauf der sechs oder sieben Stunden, die wir bis dorthin brauchen würden, nur noch sehr wenige davon übrigsein.«
    Findhorn machte eine Pause, brannte sich, unter Mißachtung der von der Reederei und von ihm selbst erlassenen Vorschriften, eine Zigarette an und sprach dann in der gleichen ausdruckslosen, monotonen Art weiter.
    »Möglicherweise sind sie in die Rettungsboote gegangen, falls noch welche da waren, nachdem Bomben, Maschinengewehre und das Feuer getan haben, was sie konnten. Innerhalb weniger Stunden können alle Überlebenden auf irgendeiner von rund zwanzig Inseln an Land gegangen sein. Welche Chance haben wir, bei völliger Dunkelheit und im Zentrum eines Sturms die richtige Insel zu finden – angenommen, wir wären wirklich so verrückt, so selbstmörderisch, in die Enge von Rhio hineinzugehen und auf die Meeresbreite zu verzichten, die man in der Mitte eines Taifuns braucht?« Er brummte ärgerlich, da der aufsteigende Rauch in seinen übermüdeten Augen brannte – Kapitän Findhorn hatte die ganze letzte Nacht die Brücke nicht verlassen – blickte leicht verwundert, als sähe er sie zum erstenmal, nach unten auf die brennende Zigarette, die er in der Hand hielt, ließ sie zu Boden fallen und trat sie mit dem Absatz seines weißen Leinenschuhs aus. Er starrte noch sekundenlang auf den erloschenen Stummel, dann hob er den Blick und ließ seine Augen langsam zwischen den vier Männern, die sich außer ihm im Ruderhaus

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