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Die Überlebenden der Kerry Dancer

Die Überlebenden der Kerry Dancer

Titel: Die Überlebenden der Kerry Dancer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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ihre beiden Frauen hatten in Singapur gelebt; beide waren innerhalb der gleichen Woche gestorben, knapp hundert Meter voneinander entfernt. Mrs. Findhorn war zu Hause gestorben, vor Gram; Caroline Nicolson war fast unmittelbar vor dem weißgestrichenen Zaun des Bungalows von Kapitän Findhorn gestorben, bei einem Autounglück, als Opfer eines betrunkenen Wahnsinnigen, der selbst ohne jede Schramme davongekommen war.
    Kapitän Findhorn richtete sich auf, zog das Tuch, das er um den Hals gebunden hatte, fester, wischte sich das Salz aus den Augen und von den Lippen und sah hinüber zu Nicolson. Dieser stand völlig aufrecht, ohne Schutz hinter dem Segeltuch zu suchen; seine Hände ruhten locker auf dem Geländer der Brücke, die scharfen blauen Augen wanderten langsam den in der Dämmerung verschwimmenden Horizont entlang, der Ausdruck seines Gesichts war unbeteiligt, gleichgültig. Regen und Wind, die lähmende Hitze des Persischen Golfes oder die eisigen Stürme auf der Scheide im Januar: das alles machte John Nicolson nichts aus. Er war immun dagegen, es berührte ihn nicht. Es war unmöglich, seiner unbeweglichen Miene zu entnehmen, was hinter seiner Stirn vorging.
    Der Wind drehte jetzt zurück, langsam, sehr langsam, und nahm dabei an Stärke zu. Die tropische Dämmerung war fast vorbei, doch das Meer dehnte sich genauso milchig weiß wie zuvor in die Dunkelheit. Findhorn konnte an Steuerbord und Backbordseite den phosphoreszierenden Glanz der Wogen sehen, und dieses Leuchten umgab auch das Heck wie ein riesiges Hufeisen. Voraus konnte er nichts erkennen, denn die Viroma stampfte jetzt nach Norden, genau gegen den Wind. Der dichte Regen, den der Sturm herantrieb, fuhr fast horizontal über das Deck und die Brücke, schoß ihm wie tausend Pfeile ins Gesicht und ließ seine schmerzenden Augen tränen. Es half nichts, die Augen bis auf einen engen Spalt zusammenzukneifen; auch so schlug der Regen hinein und machte ihn blind.
    Kapitän Findhorn schüttelte ungeduldig den Kopf, eine Geste, die zugleich Besorgnis und Erbitterung ausdrückte, und rief zu Nicolson hinüber. Nicolson ließ durch nichts zu erkennen, daß er ihn gehört hätte. Findhorn legte die Hände um den Mund und rief nochmals, machte sich dann aber klar, daß seine Stimme, soweit sie nicht der Wind verschlang, unterging in dem lauten Krachen, mit dem der Bug auf das Wasser klatschte, und in dem dünnen hohen Ton des Sturms, der in der Takelage pfiff. Er ging zu Nicolson hinüber, klopfte ihm auf die Schulter, deutete mit einer Kopfbewegung zum Ruderhaus und macht sich dorthin auf den Weg. Nicolson kam hinter ihm her. Als sie angekommen waren, wartete Findhorn, bis das Schiff in einem Wellental die Nase nach unten nahm, dann schob er die Tür nach vorn und klinkte ein. Der Übergang von dem peitschenden Regen, dem Heulen des Sturmes und dem Tosen der See zu der Trockenheit, der Wärme und der geradezu unheimlichen Stille hinter dem Windfang war so unvermittelt, daß es mehrere Sekunden dauerte, bis sie sich daran gewöhnt hatten.
    Findhorn rieb sich den Kopf mit dem Handtuch trocken, ging zum Fenster an Backbordseite und sah durch die Klarsichtscheibe nach vorn. Er brummte ärgerlich und drehte sich wieder um.
    »Also, Mister Nicolson, was halten Sie von der Sache?«
    »Dasselbe wie Sie, Sir.« Nicolson trug keine Mütze, und das blonde Haar hing ihm in nassen Strähnen ins Gesicht. »Überhaupt nichts zu sehen da vorn.«
    »So war meine Frage nicht gemeint.«
    »Ich weiß.« Nicolson lächelte und machte sich steif, als das Schiff sich plötzlich bösartig hob und so heftig stampfte, daß die Erschütterung die Fensterscheiben des Ruderhauses klirren ließ.
    »Ich finde, wir sind seit einer Woche zum erstenmal sicher.«
    Findhorn nickte. »Sie haben vermutlich recht. Nicht einmal ein Wahnsinniger dürfte sich in einer solchen Nacht heraustrauen, um uns zu suchen. Das bedeutet kostbare Stunden der Sicherheit, Jonny«, sagte er leise, »und wir täten besser daran, sie dazu zu benutzen, noch kostbarere Meilen zwischen uns und unseren gelben Bruder zu bringen.«
    Nicolson sah ihn an und blickte dann wieder fort. Es war nicht zu erkennen, was in seinem Kopf vorging, aber darüber war sich Findhorn immerhin klar, daß ein ganz bestimmter Gedanke ihn jetzt bewegen mußte, und er fluchte leise vor sich hin. Er hatte es ihm doch so leicht gemacht – Nicolson brauchte ihm nur zuzustimmen.
    »Die Chancen, daß sich noch irgendwelche Überlebenden hier in der

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